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Buchtipp: „Hab keine Angst, mein Hund“

Neulich habe ich das Buch „Hab keine Angst, mein Hund. Ängste bei Hunden erkennen und abbauen“ von Rolf C. Franck und Madeleine Grauss (inzwischen Madeleine Franck) wiederentdeckt. Das Buch ist aus dem Jahr 2008 und somit schon etwas älter, aber immer noch absolut aktuell und wirklich empfehlenswert.

Zu Beginn gehen Rolf und Madeleine auf den biologischen Sinn von Ängsten und auf ihre Entstehung ein. Sie beschreiben, was enorm wichtig ist, dass Angst immer mit Erregung einhergeht. Und je stärker die Erregung ist, desto heftiger die Angst. Und desto schwieriger ist es, den Hund noch zu erreichen. Das heißt, an der Angst muss immer in den Situationen gearbeitet werden, in denen die Erregung des Hundes noch nicht so stark ist, in denen er noch ansprechbar ist. Versucht er schon zu fliehen oder anzugreifen, dann ist die Angst zu heftig und keine Arbeit an dem Verhalten mehr möglich.

Es wird gezeigt, was man auf keinen Fall tun sollte, zum Beispiel die Angst des Hundes ignorieren oder ihn zwingen, sich dem Angstauslöser zu nähern. Beides schadet dem Vertrauensverhältnis zwischen Mensch und Hund und verstärkt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Angst.

Auch dass der Hund ein sicheres Umfeld zu Hause braucht, in dem er sich wohl fühlt und seine Bedürfnisse erfüllt werden, wird nicht vergessen. Ebenso dass der Mensch immer der „sichere Hafen“ sein muss, zu dem der Hund sich voller Vertrauen flüchten kann und darf.

Dann geht es weiter mit den Trainingstechniken, die in den verschiedenen Situationen hilfreich sind. Dabei werden typische Ängste und dafür geeignete Trainingstechniken beschrieben. Alles natürlich gewaltfrei und auf das Tempo des einzelnen Hundes abgestimmt.

Mir persönlich kommt nur eine einzige Sache in diesem Buch etwas zu kurz, nämlich dass man als Mensch an sich selbst arbeiten muss. Jeder, der mal mit einem ängstlichen, reaktiven Hund unterwegs war, kennt das: Man sieht oder hört den Auslöser der Angst und denkt unwillkürlich „oh nein!“. Das wiederum zieht körperliche Reaktionen nach sich, der Herzschlag beschleunigt sich, man bewegt sich anders, man wird nervös, man nimmt die Leine kürzer und so weiter.

Das ist ganz normal. Aber man macht es dem Hund dadurch unnötig schwer, denn wie soll er denn gelassen auf einen Angstauslöser reagieren, wenn sein Mensch ebenfalls Schweißausbrüche bekommt? Das bedeutet: Ich muss an mir arbeiten. Ich muss lernen, tief durchzuatmen und mich bewusst zu entspannen, um meinem Hund zu helfen.

Jeder kann das. Und wenn man das erst einmal gelernt hat, dann hilft es einem auch in vielen anderen aufregenden Situationen, zum Beispiel im Job, weiter. Es lohnt sich also doppelt, sich auch mit sich selbst und seinen eigenen Reaktionen auseinanderzusetzen und nicht immer nur auf den Hund zu schauen.

Von diesem einen Punkt abgesehen, finde ich das Buch absolut gelungen. Es ist durch die vielen Erläuterungen und praktischen Beispiele eine große Hilfe für Menschen mit Hunden, die ihr Heil bisher in Flucht oder Angriff gesucht haben und ihre Ängste nun langsam abbauen sollen.

(Inga Jung, Juli 2017)

 

Gewaltfreies Hundetraining – was ist das eigentlich?

 

Wenn man sich so die Websites der Hundeschulen durchliest, scheinen sich irgendwie alle einig zu sein, denn überall liest man es: „gewaltfreies Training“.

Schaut man sich dann aber das Training im Einzelnen an, dann gibt es überhaupt keine klare Linie, jeder hat andere Prinzipien, und manchmal sind sich sogar die Trainer bei ein- und derselben Hundeschule nicht einig, wie das Hundetraining zu erfolgen hat. Ich denke, das hängt damit zusammen, dass das Wort „Gewalt“ ein sehr dehnbarer Begriff ist.

Was ist das überhaupt: „Gewalt“? Wie definiert man das?

Klar, bei Stachelwürger und Elektroschocker sind die Grenzen ziemlich klar definiert: Die sind nicht nur extrem gewalttätig, sondern ihr Einsatz ist hier bei uns glücklicherweise auch verboten. Aber es gibt noch viel mehr Formen von Gewalt, und nur weil eine Hundeschule sich an die gesetzlichen Vorschriften hält, arbeitet sie noch lange nicht gewaltfrei.

Es gibt zum Beispiel sehr subtile, nach außen ganz unschuldig aussehende „Erziehungsgeschirre“ und „-halsbänder“ im Stil des gefürchteten „Illusion Collars“ von Hundealptraum Cesar Millan, die im stinknormalen Zoohandel nicht nur an Tierquäler, sondern auch an unerfahrene und leichtgläubige Menschen verkauft werden, die denken, das sei alles gar nicht so schlimm. Und es gibt Trainer, die solchen Leuten diese Mittel sogar empfehlen.

Neben Würgen, Treten, Pieksen und Schlagen, was erstaunlicherweise nicht aus der Mode zu kommen scheint (solche Leute trauen sich allerdings meist nicht, „gewaltfrei“ auf ihre Homepage zu schreiben, weil das dann doch zu offensichtlich gelogen ist), sind seit einiger Zeit auch zahlreiche Formen psychischer Gewalt ganz hoch im Kurs.

Sehr beliebt sind die beiden Maßnahmen Erschrecken und Ausgrenzen. Also auf gut Deutsch gesagt: Mobbing.

Immer dann, wenn Ihr Hund etwas tut, was Sie nicht wollen, oder auch nur dann, wenn Sie glauben, er könnte vielleicht eventuell etwas denken oder vorhaben, was Sie nicht möchten, sollen Sie ihn diesen Empfehlungen zufolge mobben, was das Zeug hält, bis er so eingeschüchtert ist, dass er sich nie wieder traut, auch nur irgendwas zu tun oder zu denken.

Das geht so:

Man bewerfe den Hund mit allem, was einem in die Finger kommt. Am besten aber mit einem Gegenstand, der auch noch ordentlich Krach macht und somit vielleicht auch noch eine schöne Geräusch-Phobie erzeugt. Das ist herrlich effektiv, denn dann muss man in Zukunft vielleicht nicht mal mehr werfen, sondern macht einfach das Geräusch, und der Hund liegt panisch am Boden. Toll!

Man kann den Hund alternativ auch mit einer Wasserflasche aus heiterem Himmel anspritzen. Dafür eignet sich natürlich nicht jede x-beliebige Wasserflasche, denn der Hund soll sich ja nicht über die schöne Abkühlung freuen, sondern sich ordentlich erschrecken. Das Wasser muss also gewehrschussartig verteilt werden können und darf keinesfalls tröpfeln. Hierfür gibt es bestimmte Empfehlungen, die Ihnen einer der „gewaltfreien“ Trainer in Ihrem Ort sicher nennt. Achten Sie gut darauf, dass Ihr Hund auch ordentlich Angst vor Ihnen bekommt, da sonst die Gefahr bestehen könnte, dass er doch noch Vertrauen zu Ihnen aufbaut, und das wollen wir ja um jeden Preis verhindern.

Weiterhin kann man den Hund „vertreiben“, wenn er etwas Unerwünschtes tut. Dafür reicht es aus, wie eine wildgewordene Furie schreiend hinter ihm herzurennen und ihm dadurch unmissverständlich klarzumachen, dass er aus der sozialen Gruppe ausgeschlossen ist und niemals wieder ein weiches Bett oder Futter und Wasser erhalten wird.

Ich muss gestehen, ich habe dieses Vertreiben früher auch angewandt, wenn ich mir nicht anders zu helfen wusste, und es schien auch so, als hätte es gewirkt. Heute sehe ich die Tatsache, dass mein Hund danach mit völlig verstörtem Blick brav neben mir her lief, doch etwas anders. Der Eindruck einer komplett Geistesgestörten, den ich in dem Moment bei ihm hinterlassen haben muss, ist vermutlich niemals wieder aus seinem Gedächtnis zu tilgen und hat mir zahlreiche Misserfolge im späteren Training beschert. Nämlich immer dann, wenn ich meinem Hund vermitteln musste, dass ich Situationen für ihn regele. Wie soll er mir auch vertrauen, wenn ich mich ihm gegenüber schon mal so unberechenbar und irre verhalten habe?

Eine weitere Form des Psychoterrors, der genau wie das Vertreiben auf den Ausschluss aus der sozialen Gruppe abzielt, ist das länger andauernde Ignorieren des Hundes.

Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Wenn mein Hund mich durch aufdringliches Verhalten nervt (und ich definitiv weiß, dass kein dringendes Bedürfnis dahinter steckt), dann ist es absolut in Ordnung, wenn ich ihm durch demonstratives Nichtbeachten aufzeige, dass er damit nicht an sein Ziel kommt. Aber: Das darf niemals länger andauern, sondern muss beendet werden, wenn das unerwünschte Verhalten endet. Und wenn mein Hund dann ein paar Minuten ruhig war, gehe ich zu ihm und lobe ihn für dieses vorbildliche Verhalten, damit er weiß, was ich von ihm erwarte. Denn dieses kurzzeitige Ignorieren soll ja schließlich einen Lerneffekt für den Hund haben und nicht meinen persönlichen Rachegelüsten dienen.

Keinen Lerneffekt hat hingegen das langfristige (oft sogar für mehrere Wochen angeordnete) Ignorieren, das leider von manchen Hundetrainern als „Lösung für alle Probleme“ empfohlen wird. Ignoriere ich meinen Hund länger als das Verhalten, das ich ändern möchte, andauert, dann verwirrt und verängstigt ihn das zutiefst. Denn er hat dann keine Möglichkeit zu verstehen, warum ich ihn auf einmal aus meinem Alltag ausgrenze. Hunde sind sehr soziale Lebewesen, für die die Gemeinschaft mit ihren Menschen das Wichtigste überhaupt ist. Nicht ohne Grund haben so viele Hunde Schwierigkeiten mit dem Alleinsein. Sind wir dann aber endlich wieder vereint, dann möchte der Hund mit uns interagieren, mit uns kommunizieren, mit uns spielen und kuscheln. Er braucht diese Gemeinschaft mit uns so sehr wie Futter, Wasser und einen trockenen Schlafplatz.

Wenn wir ihm die Erfüllung dieses Bedürfnisses verweigern, indem wir ihn längere Zeit ignorieren, und ihm auch jede Chance verwehren, durch eine Verhaltensänderung seinerseits diese Nichtbeachtung zu beenden, dann erfüllt das den Tatbestand der Tierquälerei. Hunde, die so behandelt werden, reagieren zutiefst verstört und verunsichert. Sie geraten in einen Zustand der erlernten Hilflosigkeit, was bedeutet, dass sie keine Möglichkeit haben, einer unangenehmen Situation durch eigenes Tun zu entkommen. Die Folge sind Frustration und Verzweiflung, und auf längere Sicht können sogar Depressionen und schwerwiegende Verhaltensstörungen entstehen.

Wer glaubt, durch ein solches Handeln ein Problem aus der Welt zu schaffen, der irrt gewaltig. Natürlich wird der Hund nach diesem Ignorier-Programm überglücklich sein, wenn man ihn wieder in die Gemeinschaft, aus der man ihn ausgestoßen hatte, integriert und ihm wieder Aufmerksamkeit und Beachtung schenkt. Er wird alles tun, um nicht noch einmal diese Tortur ertragen zu müssen. Aber der Vertrauensverlust ist da, und dieses Loch lässt sich nicht so einfach wieder flicken. Wie soll sich so ein Hund bei seinen Menschen sicher und geborgen fühlen? Wie soll er nach so einem grauenvollen Erlebnis innere Ruhe finden? Man darf sich nicht wundern, wenn nach einer solchen Behandlung Verhaltensprobleme entstehen, die vorher nicht vorhanden waren, denn Psychoterror geht an keinem Lebewesen spurlos vorbei.

Es gibt in der „Szene“ tatsächlich Trainer, die behaupten, alles, was keine körperliche Gewalt ist, sei überhaupt keine Gewalt. Seelische Gewalt existiert in der Welt dieser Menschen nicht. Oder aber es wird gar die Behauptung aufgestellt, dass Hunde untereinander das auch machen, und daher sei das völlig okay. Nun, ich persönlich habe noch niemals gesehen, dass Hunde, die gemeinsam in einer sozialen Gruppe leben und sich mögen, einander ständig verjagen, ignorieren und ausgrenzen. So etwas gibt es nur dann, wenn die Hunde ein Problem miteinander haben und sich nicht leiden können. Und ausgerechnet so eine Konstellation sollten wir ja nun nicht unbedingt als Vorbild für unser Verhalten gegenüber unserem eigenen Familienmitglied nehmen.

Kehren wir noch mal zur körperlichen Gewalt bzw. Strafe zurück, denn auch da gibt es Menschen, die noch im 21. Jahrhundert ernsthaft Argumente pro Gewalt vertreten. Machen Sie hier nicht den Fehler, auf die Hundetrainer hereinzufallen, die sagen: „Wenn mein Hund Aggressionsverhalten zeigt, dann kann ich das nicht auf die sanfte Tour abtrainieren. Da muss ich ihm zeigen, wo der Hammer hängt.“ Denn dabei ist schon allein die Herangehensweise schlicht falsch. Es handelt sich um eine reine Symptombekämpfung: Er zeigt Aggressionsverhalten, also brate ich ihm eins über. Das setzt am falschen Punkt an.

Gutes Hundetraining setzt nicht an den Symptomen an, sondern an den Ursachen. Ich frage nicht: „Was tue ich, wenn der Hund sich so verhält?“ Ich frage: „Warum verhält der Hund sich so? Und was kann ich verändern, damit er gar keine Notwendigkeit mehr sieht, sich so zu verhalten?“ Auch das richtige Timing ist wichtig: Wenn ich weiß, dass mein Hund sich gleich in die Leine werfen und lospöbeln wird, dann warte ich natürlich nicht ab, bis das Unvermeidliche passiert, sondern ich werde vorher aktiv. Es gibt so viele Möglichkeiten, den Hund in eine positive, entspannte Stimmung zu bringen, bevor er sich in das unerwünschte Verhalten hineinsteigert. Man darf nur nicht immer in den Wenn-Dann-Kategorien denken, sondern muss lernen, vorausschauend zu handeln und flexibel zu agieren, statt immer nur zu reagieren. Und zwar ohne Gewalt.

Unerwünschtes und als störend empfundenes Verhalten entsteht zu 90 Prozent aus Aufregung. Ein völlig tiefenentspannter Hund tut selten etwas Unerwünschtes. Meist sind es doch eher die aufgeregten Verhaltensweisen, die uns ärgern, wie Bellen, Beißen, an der Leine zerren, andere Hunde attackieren, unkontrolliertes Herumspringen etc. Bei all diesen Dingen muss ich mich also fragen: „Warum und worüber regt sich der Hund so auf?“ Und: „Was kann ich tun, um die Situation entspannter zu gestalten, damit gar nicht erst so eine Aufregung entsteht?“ Wenn man in dieser Form an den Ursachen des Verhaltens ansetzt, erübrigt sich häufig weiteres Training sogar, denn die vom Hund als entspannter empfundene Situation bewirkt, dass er sich auch ruhiger verhält und der Mensch kein Problem mehr sieht.

Das Gleiche gilt, wenn ein Hund deshalb unerwünschtes Verhalten zeigt, weil er Schmerzen hat, was übrigens gar nicht so selten der Fall ist. Ohne eine vernünftige Schmerztherapie wird sich auch sein Verhalten nicht wirklich ändern. Auch hier gilt: Setzt man nicht an der Ursache an, sondern bekämpft nur die Symptome, wird man nicht viel erreichen.

Nun gibt es natürlich Ursachen, die man nicht beseitigen kann. Daher sage ich zum Beispiel bei territorialer Aggression gegenüber anderen Hunden, dass hier das Training Grenzen hat. Denn ich kann meinem Hund nicht „abtrainieren“, dass er es als Affront empfindet, wenn ein anderer Hund unerlaubterweise in seinem Revier herumspaziert. Ich kann die Situation aber auch nicht ändern, denn die öffentlichen Wege rund um unser Haus, die mein Hund als sein Revier betrachtet, dürfen von jedem Spaziergänger benutzt werden. Also ist das eine Ursache, die ich nicht abstellen kann.

Hier kommen jetzt besagte Hundetrainer und empfehlen, das Verhalten, dessen Ursache sich nicht beseitigen lässt, einfach durch Gewalt zu unterdrücken. Das mag auch auf den ersten Blick funktionieren. Aber: Ich warne dennoch deutlich davor, denn Gewalt hat immer Nebenwirkungen, die sich vorher schlecht einschätzen lassen.

Beispielsweise kann es sein, dass mein Hund den Leinenruck, den ich einsetze, um ihn vom Bellen abzuhalten, mit dem Anblick des anderen Hundes verknüpft und lernt: „Wenn ein anderer Hund auftaucht, tut das weh.“ Durch diese Fehlverknüpfung schaffe ich mir ein Problem, denn mein Hund wird in Zukunft vermutlich nicht mehr nur in seinem eigenen Revier aggressiv auf andere Hunde reagieren, sondern auch auf neutralem Gebiet, wo er früher verträglich war. Denn andere Hunde werden durch diese Erfahrung für ihn generell zu einer Bedrohung seines Wohlbefindens, die es schnell zu vertreiben gilt.

Genauso kann es sein, dass in dem Moment, in dem ich meinen Hund für das Bellen strafe, ein Kind in seinem Blickfeld auftaucht und er lernt: „Immer wenn ein Kind auftaucht, tut es weh. Kinder sind gefährlich.“ Und schon dehnen sich seine Aggressionen auch auf Kinder aus, obwohl er diese früher neutral gesehen hat.

Das Gleiche kann mit Fahrradfahrern, Skateboardern und allen möglichen auffälligen Personen oder Dingen passieren, die zufällig gerade anwesend sind – einschließlich mir selbst, denn natürlich merkt mein Hund, dass die Gewalt von mir ausgeht, und das zerstört sein Vertrauen in mich.

Und bleiben wir noch mal beim Leinenruck: Wenn ich an der Leine rucke, um meinen Hund zu strafen, dann kann das zu schmerzhaften Muskelverspannungen oder sogar Schäden an Kehlkopf und Halswirbelsäule führen. Und wie wir alle aus Erfahrung wissen, sind solche Schmerzen im Hals- bzw. Nackenbereich nicht gerade Stimmungsaufheller. Unser Hund hat also unter Umständen Schmerzen und ist deswegen noch grantiger als sonst. Er zeigt wieder Aggressionen, ich rucke wieder an der Leine. Die Schmerzen werden schlimmer. Er zeigt deshalb wieder Aggressionen, ich rucke wieder an der Leine. Die Schmerzen werden schlimmer …

Merken Sie’s? Das ist ein Teufelskreis, den wir uns selbst geschaffen haben. Und das auch noch völlig unnötig, denn es gibt so viele Möglichkeiten, eine Verhaltensänderung ohne Gewalt zu erreichen. Ein bisschen Kreativität ist dabei durchaus hilfreich, denn nicht jeder Hund ist gleich. Aber es gibt inzwischen viele gute und auch wirklich gewaltfrei arbeitende Trainer und auch viele gute Bücher zu dem Thema. Man ist nicht mehr allein auf weiter Flur und hat nicht mehr wie in den 1980ern nur den Schäferhundeverein um die Ecke als Orientierung, es gibt heutzutage viel mehr Möglichkeiten. Man muss sich nur umsehen und informieren.

Und haben Sie den Mut, für Ihren Hund einzustehen und laut und deutlich „nein“ zu sagen, wenn ein Trainer Sie zu etwas überreden will, was Ihnen nicht behagt. Ihr Hund ist Ihr Schützling, sein Wohlergehen liegt ganz allein in Ihrer Hand. Und Sie wissen ja, wie es bei Spiderman schon so treffend hieß: Mit großer Macht geht große Verantwortung einher.

(Inga Jung, April 2017)

 

 

 

 

 

 

Betreten verboten! Territorialverhalten bei Hunden verstehen

Mein drittes und damit neuestes Buch ist im Oktober 2016 im Kynos Verlag erschienen und ab sofort überall im Handel erhältlich!:

Betreten verboten! Territorialverhalten bei Hunden verstehen
Inga Jung
1. Auflage Herbst 2016, Kynos Verlag

Territorialverhalten

Bitte lassen Sie sich nicht von dem hässlichen Titelbild abschrecken. Das Cover war NICHT meine Idee und hat auch nicht meine Zustimmung. Aber vielleicht gewinne ich irgendwann damit einmal den Preis für das abscheulichste Sachbuch-Cover, wer weiß … 😉
Es gibt bisher wenige Bücher zum Thema Territorialverhalten bei Hunden, und die Bücher, die ich zu dem Themenbereich gefunden habe, waren leider qualitativ sehr schlecht. Ich fand daher, dass es an der Zeit ist, ein Buch über Territorialverhalten zu schreiben, welches sowohl die Hintergründe des Verhaltens erklärt und verständlich macht, als auch viele Praxistipps für unterschiedliche Situationen bereithält.
Dabei liegt mein Fokus selbstverständlich auf einem gewaltfreien Umgang mit dem Hund. Auch wenn Territorialverhalten häufig mit Aggressionsverhalten einhergeht, gibt es keinen Grund, als Mensch ebenfalls aggressiv zu reagieren. Es gibt viele Möglichkeiten, Territorialverhalten durch eine durchdachte Kombination aus Management und positivem Training, das Hund und Mensch Spaß bringt, im Alltag kontrollierbar zu machen, sodass von dem Hund keinerlei Gefahr ausgeht.

Wie man dies umsetzt, welche Situationen speziell beachtet werden müssen, wie man vorausschauend agiert und vieles mehr werde ich in meinem neuen Buch beleuchten.
Obwohl es sich um Hunde aller territorial veranlagten Rassen und Mischlinge drehen wird, sehe ich mein neues Buch unter anderem auch als Ergänzung zu meinem 2011 erstmals erschienenen Buch „Unser Hund – Der Australian Shepherd“, das gerade in der 4. Auflage gedruckt wird. In meinem ersten Buch konnte ich aus Platzgründen nicht ausführlich genug auf das Thema Territorialverhalten eingehen. Ich habe dies im Grunde immer nur kurz angesprochen, aber es hätte den Rahmen des Buches gesprengt, ins Detail zu gehen. Nun wird in diesem Jahr mit meinem neuen Buch endlich eine ausführliche Besprechung des Territorialverhaltens erscheinen, die aufzeigt, was einen mit einem territorial motivierten Hund erwarten wird und wie man damit umgehen sollte. Für Freunde meines Buches über den Australian Shepherd ist mein neues Buch eine absolute Empfehlung zum Weiterlesen.

 

Der Verlag beschreibt mein neues Buch wie folgt:

Hunde haben es oft nicht leicht: Jahrtausendelang wurden sie zum Bewachen von Haus, Hof und Eigentum gezüchtet, und plötzlich sind diese Eigenschaften nicht mehr gefragt. Der Hund soll plötzlich jeden Gast freundlich willkommen heißen – aus Hundesicht häufig ein Unding.

Das „Aberziehen“ dieses in vielen Rassen tief verwurzelten Verhaltens, womöglich noch durch Strafen, hat folglich wenig Erfolgsaussichten – wohl aber das Umlenken in gewünschte und akzeptable Bahnen, wenn man den Hund und sein Denken auch ernst nimmt und seine Bedürfnisse berücksichtigt.

Aus Erfahrung selbst schlau geworden, erklärt Hundetrainerin Inga Jung, wann und warum sich Hunde territorial verhalten und bewirkt damit zahlreiche „Aha-Momente“ auch bei erfahrenen Hundebesitzern.

Wie kleine Veränderungen im Alltag Großes bewirken können und mit welchen Schritten man dem Hund erklärt, dass man selbst in der Lage ist, über das Hereinlassen von Besuch zu entscheiden, erfahren Sie in diesem Buch.

Buchtipp: „Hunde. Evolution, Kognition und Verhalten“

 

Das Buch „Hunde. Evolution, Kognition und Verhalten“ von Dr. Ádám Miklósi ist sicher keine leichte Kost, das sei schon zu Anfang gesagt. Wer auf der Suche nach einem locker zu lesenden Schmöker ist, der sei gewarnt: Dr. Ádám Miklósi ist durch und durch Wissenschaftler, und genauso schreibt er auch.

Hunde

Ich finde dieses Buch, das im Jahr 2009 im Kosmos Verlag erschien, hoch interessant, da es sich dem Thema Hund komplett von der wissenschaftlichen Seite her nähert und trotzdem den Hund nicht als ein Forschungsobjekt betrachtet, sondern als ein fühlendes und denkendes Lebewesen, dem man auch in der Wissenschaft keine unangenehmen Experimente zumuten darf. In diesem Zusammenhang geht der Autor beispielsweise auf die grausamen Versuche zur erlernten Hilflosigkeit ein, die in den Sechzigerjahren durchgeführt wurden, und verurteilt diese als unethisch und nicht zu rechtfertigen.

Miklósi beleuchtet alle Aspekte rund um den Hund, sowohl die Geschichte der Domestikation, als auch seine Sinnesleistungen und sein Verhalten sowie die bisherige und eventuelle zukünftige Forschung zu unserem ältesten Haustier. Dabei betont er immer wieder den engen Bezug des Hundes zum Menschen und die Tatsache, dass Hunde und Menschen einfach zusammengehören: „Heute sind sich die Wissenschaftler weitgehend einig, […] dass Hunde- und Menschenverhalten tatsächlich einige bedeutsame Merkmale gemeinsam haben.“ (S. 367)

Da er der Ansicht ist, dass man das Verhalten und die Leistungen eines Tieres am besten in seinem natürlichen Umfeld betrachtet, ist er im Hinblick auf den Hund der Meinung, dass Verhaltensbeobachtungen immer in Anwesenheit der Bezugsperson des Hundes und in einem für den Hund normalen Umfeld erfolgen sollten. Dies nicht zuletzt deshalb, weil herausgefunden wurde, dass Hunde sich durch die Anwesenheit eines vertrauten Menschen viel schneller beruhigen lassen, als durch die Anwesenheit eines vertrauten Hundes oder eines fremden Menschen.

Manchmal war ich bei der Lektüre etwas überrascht angesichts der leichten Inkonsequenz, mit der Miklósi sich zum Thema Dominanzverhalten äußert. Einerseits stellt er heraus, dass die Beobachtungen zum Dominanzverhalten, die früher die Dominanztheorie begründeten, im Gehege entstanden sind, was weder für den Wolf, noch für den Hund eine natürliche Situation darstellt. Und dass sich Wolf und Hund in ihrer natürlichen Umgebung (freie Wildbahn bzw. menschliche Familie) ganz anders verhalten. Er geht ebenfalls darauf ein, dass die neuere Wissenschaft eher dazu neigt, den Hund als Mitglied seiner menschlichen Familie zu sehen, das keinerlei Dominanzbeziehungen zu den anderen Familienmitgliedern entwickelt.

Andererseits verstrickt er sich dann aber doch wieder in widersprüchliche Aussagen, was vermuten lässt, dass er sich von der alten Theorie gedanklich noch nicht ganz lösen kann. Zum Beispiel meint er, die Menschen hätten den Hund so gezüchtet, dass er sehr viel aggressionsfreier als der Wolf sei. Das wiederum kann ich nicht nachvollziehen, denn ebenso wie Wölfe können manche Hunde sehr intolerant gegenüber Fremden sein, die nicht zu ihrer eigenen sozialen Gruppe gehören. Und ebenso wie Wölfe sind die meisten Hunde innerhalb ihrer eigenen Familie sehr sanft und geduldig und versuchen, Aggressionen zu vermeiden. Zudem ist das Verhalten solch hoch entwickelter Säugetiere einfach zu individuell, um generelle Aussagen in Bezug auf alle Hunde und alle Wölfe treffen zu können. Sieht man aber ausschließlich die Gehegewölfe vor sich und schließt das Verhalten frei lebender Wölfe aus, dann mag die Aussage stimmen, denn im Gehege treten durch den Stress und die beengte Situation insgesamt deutlich mehr Aggressionen auf. Ich vermute fast, dass die Aussage auf diesem Gedanken beruhte.

Gern zitiere ich den folgenden Absatz: „Immer wieder taucht in der Literatur die Annahme auf, dass das ‚Gewinnen‘ von Spielen Auswirkungen auf die hierarchische Beziehung zwischen Menschen und ihren Hunden hat […]. Abgesehen davon, dass keinerlei Daten zur Untermauerung dieser Annahme vorliegen[…], widerspricht sie auch der Logik des Spiels, weil Spielsignale dazu dienen sicherzustellen, dass eventuelle schädliche Handlungen nicht ernst genommen werden (sollten). Außerdem ist das Spiel durch einen ständigen Rollenwechsel gekennzeichnet, und Tiere vermeiden die Interaktion mit Artgenossen, die zu diesen Rollenwechseln nicht bereit sind.“ (S. 294 f.)

Ich finde es faszinierend, dass Miklósi als Wissenschaftler immer wieder auf die große Ähnlichkeit zwischen Mensch und Hund hinweist und darauf, dass unser Verhalten und unsere Reaktionen häufig vergleichbar sind. Aus diesem Grund fanden schon oft vergleichende Verhaltensexperimente mit Kindern und Hunden statt, in denen durchaus auch Parallelen gefunden wurden. Dass ein Wissenschaftler heutzutage dies nicht ablehnt und als Vermenschlichung abtut, sondern in seine Betrachtungen mit einbezieht, ist meiner Meinung nach ein großer Fortschritt auf dem Weg zu der Erkenntnis, dass Tiere eben keine leblosen Maschinen sind, die nur auf Reize reagieren, sondern genau wie wir denken und fühlen und uns vielleicht ähnlicher sind, als wir immer gedacht haben. Miklósi geht sogar noch weiter und führt an, dass sowohl Hunde wie auch Kinder klare Familienstrukturen brauchen, die ihnen Verlässlichkeit und Sicherheit bieten, und dass Hunde und Kinder in gleichem Maße soziale Unterstützung durch ihre Bezugspersonen benötigen. Er scheut sich ganz und gar nicht, hier Parallelen herauszustellen.

In dem Kapitel über Hunde im Tierheim, in dem es unter anderem darum geht, wie sehr Hunde unter mangelndem Sozialkontakt mit Menschen leiden und dass ihr Stresspegel im Tierheim bereits nach kurzer Zeit messbar ansteigt, fand ich diesen Satz besonders rührend, der im Gegensatz zu dem sonst streng wissenschaftlich gehaltenen Text erstaunlich emotional daherkommt: „ Zwar können Hunde Menschen durch Beißen verletzen, doch auch wir verletzen Hunde, wenn wir sie in Tierheimen sitzen lassen.“ (S. 113)

Bei der Beschreibung der Verhaltensbeobachtungen und Experimente, die mit Hunden durchgeführt wurden, betont Miklósi wiederholt ihre oft erstaunlichen Problemlösungsfähigkeiten. Selbst wenn ein Hund nicht die erwartete Lösung fand, ist der Autor nicht bereit, diese Aufgabe sofort als nicht lösbar einzustufen, sondern er schaut sich kritisch die Umstände an und legt nahe, dass möglicherweise eine für den Hund ungewohnte Umgebung oder die Tatsache, dass der Hund die Aufgabe aus seinem Blickwinkel anders betrachtet als der Mensch, zu dieser vermeintlich fehlerhaften Leistung geführt haben könnten.

Das ist wirklich interessant und ganz und gar nicht abwegig. Miklósi weist mehrfach darauf hin, dass viele Versuche aus absolut menschlicher Sicht aufgebaut sind und somit z.B. hauptsächlich visuelle Aspekte einbeziehen. Der Hund als „Nasentier“ nimmt aber noch viel mehr wahr als wir und setzt dementsprechend vielleicht auch an einem ganz anderen Punkt bei der Problemlösung an. Nur weil wir das mit unseren eingeschränkten Fähigkeiten nicht nachvollziehen können, muss es nicht zwangsläufig falsch sein.

Weiterhin führt Miklósi an, dass Hunde in einigen Versuchen, in denen Menschen anwesend waren, offenbar nicht nur den reinen Versuchsaufbau betrachteten, sondern die Menschen mit einbezogen und das Ganze als soziale, kommunikative Situation bewerteten, so wie sie es sonst aus ihrem Alltag auch gewohnt waren. Dadurch kann es vorkommen, dass ein Hund sich z.B. nicht traut, ein Stück Futter zu nehmen, obwohl er weiß, wie er es bekommen könnte, weil er der Meinung ist, dass einer der anwesenden Menschen Anspruch auf dieses Futterstück erhebt. Oder dass er den Menschen in die Problemlösung mit einbezieht, um das Ganze als gemeinsames Spiel aufzubauen, anstatt sich ausschließlich allein mit der Aufgabe zu beschäftigen. Das kann zu der fehlerhaften Interpretation führen, dass der Hund nicht wisse, wie er das Futter erreichen kann, obwohl er dieses Wissen vielleicht hat, es aber aus verschiedenen Gründen nicht anwendet.

Ich schließe mich Dr. Miklósi an mit der Ansicht, dass wir noch viel über das Wesen und die Gedankenwelt unserer Hunde zu lernen haben, selbstverständlich ohne ihnen dabei ein Leid zuzufügen. Und ich denke, dass wir sicherlich auch vieles von unseren Hunden lernen könnten, wenn wir nur in der Lage sind, uns ihrer Sichtweise zu öffnen und ihnen ohne Vorurteile zu begegnen.

(Inga Jung, August 2016)

Hundemenschen

 

Es gibt Menschen, die Hunde mögen, sie vielleicht zeitweise in ihr Leben integrieren und durchaus auch gut behandeln, die aber auch jahrelang ohne einen Hund leben können, ohne etwas zu vermissen.

Und es gibt Hundemenschen.

Hundemenschen fühlen sich von dem Tag an, an dem sie zum ersten Mal ihre Augen öffneten und einen Hund erblickten, auf geradezu magische Weise zu Hunden hingezogen. Befinden sie sich in einer Menschenmenge und sehen nur einen einzigen Hund dazwischen, dann bleiben sie unwillkürlich mit ihrem Blick an ihm hängen, und allein seine Anwesenheit zaubert ein Lächeln auf ihr Gesicht. Es ist, als hätten sie in der Menge einen Freund entdeckt.

Sitzen sie bei der Arbeit oder in der Schule, dann fühlen sie sich, als wären sie nur halb da. Kommen sie danach endlich wieder nach Hause und werden von ihrem Hund begrüßt, als wären sie eine Woche lang fort gewesen, dann fühlen sie sich endlich wieder vollständig. Dann ist alles wieder gut. Dann ist wieder zusammen, was zusammen gehört.

Hundemenschen können noch so schlecht gelaunt sein – wenn sie Kontakt zu einem Hund aufnehmen, geht ihr Herz auf und alle Sorgen sind vergessen. Sie gehören einfach zu Hunden, so wie Hunde zu ihnen gehören. Sie haben gar keine Wahl, sie sind nicht wirklich glücklich, wenn sie keine Hunde um sich haben. Es würde immer ein wichtiger Teil von ihnen fehlen.

Ein Hund spürt es sofort, wenn er einen Hundemenschen vor sich hat. Auch Hunde fühlen sich oft magisch zu Hundemenschen hingezogen. Es ist ein gegenseitiges Verstehen da, ein Wissen, das keine Worte braucht, ein unsichtbares Band zwischen ihnen, das niemand außer ihnen selbst sehen kann.

Ich wusste schon als kleines Kind, dass ich ein Hundemensch bin. Natürlich. Das weiß man einfach. Meine Eltern sind leider keine Hundemenschen, und so musste ich lange Jahre bitten und betteln und Überzeugungsarbeit leisten, bis sie einsahen, dass sie gar keine Wahl hatten, da ich einen Hund an meiner Seite brauchte.

Dabei war es doch von Anfang an unübersehbar. Wenn ich zeichnete, dann war auf so gut wie jedem Bild ein Hund zu sehen, egal, welches Thema in Kindergarten und Schule vorgegeben wurde. Oft habe ich gespielt, ich wäre ein Hund. Die Knie meiner Hosen waren dementsprechend schnell durchgescheuert, weil ich ständig auf dem Boden herumkrabbelte. Auch die meisten meiner Kindheitserinnerungen, die haften geblieben sind, hatten etwas mit Hunden zu tun. Zum Beispiel der Urlaub in dem Hotel in Italien, das einen Cocker Spaniel namens Winnetou hatte. Ich weiß nicht mehr viel von diesem Urlaub, aber an den Hund erinnere ich mich in allen Einzelheiten, erinnere mich, wie sein Fell sich anfühlte und wie glücklich ich war, wenn ich ihn kraulte.

Und ich hatte diesen Traum, in dem ich selbst ein Hund war und über eine grüne Wiese rannte. Es fühlte sich großartig an, so zu rennen, völlig euphorisch und frei. Dabei habe ich keine Ahnung, woher dieser Traum gekommen sein könnte, denn ich selbst war schon immer völlig unsportlich und bekam sofort Seitenstiche, wenn ich mal ein paar Meter rennen sollte. Ein eigenes Erlebnis kann das eigentlich nicht gewesen sein. Dieser Traum hat mich stark beeindruckt und ich erinnere mich noch genau daran, obwohl das jetzt fast 30 Jahre her ist.

Mir begegnen hin und wieder auch andere Kinder, bei denen ich mir sicher bin, dass sie Hundemenschen sind. Manchmal wissen ihre Eltern das schon, manchmal auch nicht. Es kam mehrfach vor, dass ich mit meinem Hund durch die Stadt ging und ein kleines Kind beim Anblick meines Hundes auf einmal glänzende Augen und diesen bestimmten, sehnsuchtsvollen Gesichtsausdruck bekam, vor Verzückung zu atmen vergaß und die Hände nach meinem Hund ausstreckte. Ich kenne dieses Gefühl, das hier zum Ausdruck kam, nur zu gut. Mir war sofort klar, dass ich einem Hundemenschen begegnet war. Manchmal sieht man es sogar bei Erwachsenen, dieses Strahlen in den Augen beim Anblick eines Hundes.

Es würde mich nicht wundern, wenn Forscher eines Tages ein bestimmtes Hundemenschen-Gen entdecken würden. Unter den verschiedenen Theorien zum Verlauf der Domestikation des Hundes gibt es auch eine, in der Wissenschaftler davon ausgehen, dass sich nicht nur der gemeinsame Vorfahr unserer heutigen Wölfe und Hunde im Zuge des Jahrzehntausende andauernden Domestikationsprozesses zum Hund entwickelt hat, sondern dass sich gleichzeitig auch die Menschen veränderten und neue Eigenschaften annahmen, welche sie dem Hund näher brachten. Ich finde diese Theorie faszinierend und auch sinnvoll, denn beispielsweise unsere Familienstruktur gleicht viel mehr der von Wölfen und Hunden, als der von anderen Primaten. Die damaligen Menschen waren sicherlich noch nicht so arrogant wie wir es heute sind und hielten sich noch nicht für die Krone der Schöpfung, sondern sie respektierten andere Tiere und waren bereit, sich Gutes und Nützliches von ihnen abzuschauen. Dies könnte durchaus eine Veränderung bewirkt haben, die uns ganz speziell den Hunden nahe brachte.

Das ist natürlich nur eine von vielen Theorien, für die es wenige Nachweise gibt, und vielleicht wird es nie wirklich aufgeklärt, was damals geschehen ist. Spannend finde ich die Diskussion aber allemal, denn wirklich rational erklären lässt sich diese starke Verbindung zwischen Hundemenschen und Hunden nicht, wenn man nicht die Geschichte der Menschheit, die seit mindestens 15.000, vermutlich sogar 30.000 Jahren eng mit der Geschichte der Hunde verknüpft ist, mit einbezieht.

Ich vertraue Hunden. Ich vertraue auf dieses unsichtbare Band zwischen uns, das schon mein gesamtes Leben lang existiert. Ich bin ein Hundemensch.

 

(Inga Jung, Juni 2016)

 

Buchtipp: „Leben mit Hunden – gewusst wie!“

 

Lange Zeit habe ich auf ein Buch gewartet, das umfassend und allgemein auf das Leben mit Hunden und die Beziehung zwischen Mensch und Hund eingeht und dabei sowohl den aktuellen Stand der Wissenschaft als auch moderne Erziehungsmethoden berücksichtigt. Ein Buch, das mit alten Hüten wie Dominanz-, Rudel- und Rangordnungsmodellen aufräumt und zeigt, wie ein partnerschaftliches Zusammenleben von Mensch und Hund heutzutage funktionieren kann. Im April 2014 ist es endlich im Kynos Verlag erschienen: „Leben mit Hunden – gewusst wie!“

Leben mit Hunden

Das Buch wurde von einem Kollektiv verschiedener Autorinnen und Autoren aus dem deutschsprachigen Raum verfasst, die sich dem auf Lob und positiver Verstärkung basierenden Hundetraining verschrieben haben. Viele von ihnen kenne ich persönlich von gemeinsam besuchten Fortbildungen, denn ihnen allen ist Weiterbildung ein wichtiges Anliegen. Ohne die neuesten Erkenntnisse der Verhaltensforschung würde Hundetraining auf der Stelle treten, Trainer könnten sich nicht weiterentwickeln. Trainer, die keine Fortbildungen besuchen, sind hier lebendige – und warnende – Beispiele. Die ständige Vertiefung seines Wissens und Erweiterung seines Horizonts sind absolute Notwendigkeiten für einen Hundetrainer. Und ebenso wichtig ist es, dieses Wissen an die Hundebesitzer weiterzugeben. Dieses Buch ist ein wunderbarer erster Schritt, auch für Hundeanfänger, dem Thema näherzukommen.

Natürlich ist es nicht möglich, auf nur 180 Seiten alles Wissen über das Leben mit Hunden zu versammeln. Dass die Autorinnen und Autoren diese Herausforderung dennoch angenommen und versucht haben, kurz und knapp, aber doch aussagekräftig, einen Überblick zu schaffen, verdient Respekt. Ich selbst traue mich nicht, ein so umfassendes Thema in so einer engen Verpackung darzustellen, denn ich wäre mit dem Ergebnis niemals zufrieden. Es würden zu viele wichtige Aspekte fehlen. Aber wir brauchen ein solches Übersichtswerk, das leicht zu lesen ist, einen ersten Einblick verschafft und Lust darauf macht, tiefer in die Materie einzusteigen.

Vielen Dank an den Herausgeber Stefan Wittenfeld und all Autorinnen und Autoren für dieses Buch. Es hat vor seinem Erscheinen viel zu lange in meinem Regal gefehlt.

(Inga Jung, März 2016)

Vorschau: Mein Buch „Betreten verboten! Territorialverhalten bei Hunden verstehen“

Mein neues Buch erscheint im Herbst 2016!:

Betreten verboten! Territorialverhalten bei Hunden verstehen
Inga Jung

1. Auflage Herbst 2016
Kynos Verlag

Es gibt bisher wenige Bücher zum Thema Territorialverhalten bei Hunden, und die Bücher, die ich zu dem Themenbereich gefunden habe, waren leider qualitativ sehr schlecht. Ich fand daher, dass es an der Zeit ist, ein Buch über Territorialverhalten zu schreiben, welches sowohl die Hintergründe des Verhaltens erklärt und verständlich macht, als auch viele Praxistipps für unterschiedliche Situationen bereithält.

Dabei liegt mein Fokus selbstverständlich auf einem gewaltfreien Umgang mit dem Hund. Auch wenn Territorialverhalten häufig mit Aggressionsverhalten einhergeht, gibt es keinen Grund, als Mensch ebenfalls aggressiv zu reagieren. Es gibt viele Möglichkeiten, Territorialverhalten durch eine durchdachte Kombination aus Management und positivem Training, das Hund und Mensch Spaß bringt, im Alltag kontrollierbar zu machen, sodass von dem Hund keinerlei Gefahr ausgeht.

Wie man dies umsetzt, welche Situationen speziell beachtet werden müssen, wie man vorausschauend agiert und vieles mehr werde ich in meinem neuen Buch beleuchten.

Obwohl es sich um Hunde aller territorial veranlagten Rassen und Mischlinge drehen wird, sehe ich mein neues Buch unter anderem auch als Ergänzung zu meinem 2011 erstmals erschienenen Buch „Unser Hund – Der Australian Shepherd“, das gerade in der 4. Auflage gedruckt wird. In meinem ersten Buch konnte ich aus Platzgründen nicht ausführlich genug auf das Thema Territorialverhalten eingehen. Ich habe dies im Grunde immer nur kurz angesprochen, aber es hätte den Rahmen des Buches gesprengt, ins Detail zu gehen. Nun wird in diesem Jahr mit meinem neuen Buch endlich eine ausführliche Besprechung des Territorialverhaltens erscheinen, die aufzeigt, was einen mit einem territorial motivierten Hund erwarten wird und wie man damit umgehen sollte. Für Freunde meines Buches über den Australian Shepherd ist mein neues Buch eine absolute Empfehlung zum Weiterlesen.

Freuen Sie sich auf den Herbst!

(Inga Jung, Februar 2016)

Was uns Star Wars über das Leben mit Hunden lehrt

 

Ich gehöre zu der Generation, die mit den drei alten Star Wars Filmen aufgewachsen ist. Wir haben mit Han Solo, Prinzessin Leia und R2D2 mitgefiebert und uns über den Jammerlappen Luke Skywalker aufgeregt.

Auch heute noch sehe ich die alten Filme gerne und entdecke immer wieder neue Aspekte, je nach Blickwinkel. Neulich stolperte ich über den Dialog zwischen dem alten Jedi-Meister Yoda und Luke Skywalker:

Yoda: „Hüte dich vor der dunklen Seite der Macht.“

Luke: „Ist die dunkle Seite stärker?“

Yoda: „Nein. Sie ist schneller. Leichter. Verführerischer.“

Nachdenklich überlegte ich, ob man das nicht ganz genau so auch über das Hundetraining sagen kann. Ich bin im Laufe der Jahre vielen Hundebesitzern begegnet, die es mit einem positiv aufgebauten Training versucht haben, dann aber doch wieder auf Strafen umgeschwenkt sind, weil es ihnen leichter fiel und so aussah, als sei die Wirkung schneller da. Oder weil ihnen das im Fernsehen suggeriert wurde. Es sieht auf den ersten Blick auch wirklich oft so aus, als ob es schneller ginge, denn Strafen hemmen natürlich das Verhalten des Hundes und unterdrücken seine Impulse. Zumindest kurzfristig.

Langfristig ist der Erfolg eines positiv aufgebauten Trainings besser, sowohl für die Motivation des Hundes zum Mitmachen, als auch für die Beziehung zwischen Mensch und Hund. Aber das Training langsam und überlegt aufzubauen und durchzuhalten, bis sich Erfolge abzeichnen, das fällt vielen Menschen schwer. Sie wählen dann doch lieber den Verhaltensabbruch durch Strafe. Denn das ist schneller. Leichter. Verführerischer. Aber auch trügerisch und gefährlich, genau wie die dunkle Seite der Macht.

Wir Hundebesitzer können noch mehr von den Star Wars Filmen lernen. Luke Skywalker handelt zuerst impulsiv und unüberlegt. Er ist zornig, hektisch, gerät schnell aus der Fassung. Er ist noch weit davon entfernt, ein Jedi zu werden. Auch wir Hundebesitzer sind nicht perfekt, aber wir können, ebenso wie Luke, dazulernen, wenn wir nur wollen.

Ein Jedi hat seine Impulse unter Kontrolle und ruht vollkommen in sich. Er handelt niemals unüberlegt und denkt immer einige Schritte voraus. Er lässt sich nicht provozieren. Hass, Neid und Wut haben keinen Platz in seinem Leben. Er tut stets Gutes und handelt, nach bestem Wissen und Gewissen, zum Wohl der Allgemeinheit.

Ich glaube, unsere Hunde würden sich wünschen, dass ihre Menschen ein bisschen was von einem Jedi hätten. Hunde bewundern Menschen, die ruhig und gelassen durchs Leben gehen und sich von nichts und niemandem aus ihrem seelischen Gleichgewicht bringen lassen. Solchen Menschen zu vertrauen fällt nicht schwer.

Schauen wir doch alle mal, ob wir nicht den Jedi in uns entdecken. Unseren Hunden zuliebe.

(Inga Jung, Oktober 2015)

Die Sache mit der Freiheit

 

Freiheit – jeder wünscht sie sich und seinen Tieren. Freiheit ist etwas Wundervolles, sie ist unser höchstes Gut. Die Freiheit des Einen darf aber nicht die Freiheit des Anderen einschränken. Wir sind schließlich nicht allein auf der Welt, und Rücksichtnahme gehört einfach dazu. In Bezug auf uns Hundehalter bedeutet das in erster Linie, dass unser Hund keine anderen Lebewesen – seien es Menschen, andere Hunde oder auch Wild-, Haus- und Weidetiere – belästigen oder gar gefährden darf.

Das sagt sich so einfach, aber es beinhaltet doch eine Menge Voraussicht und Verantwortungsbewusstsein, unterwegs mit einem freiheitsliebenden Hund schnell genug reagieren zu können, um den Hund auch wirklich zu jeder Zeit unter Kontrolle zu haben, wenn das denn nötig ist. Denn wenn er den rennenden Hasen vor der Nase hat, ist es meist eh zu spät, um noch zu rufen. Man muss die Gegend schon so genau im Auge haben, dass man den Hasen vor dem Hund sieht, sonst hat man keine Chance.

Dennoch sind Freiheit und hier insbesondere die freie Bewegung innerhalb gewisser Grenzen und die Möglichkeit, auch mal „der Nase nach“ zu laufen enorm wichtig für das Wohlbefinden unserer Hunde. Dabei ist eine 20-Meter-Leine für einen Hund, der eine sehr starke Jagdleidenschaft hat, auch schon Freiheit. Denn diese Leine gibt ihm einerseits genug Freiraum, sich in einem bestimmten Radius um seinen Menschen herum auszuleben (weiter als 20 Meter sollte sich ohnehin kein Hund auf dem Spaziergang von seinem Menschen entfernen), aber andererseits gibt die Leine den Wildtieren der Gegend wieder Sicherheit, was ja mindestens ebenso wichtig ist wie das Wohlbefinden unseres Hundes.

Ganz und gar nicht lustig sind die Empfehlungen mancher Hundetrainer, der Hund solle grundsätzlich auf jedem Spaziergang neben oder hinter seinem Menschen laufen und sich diesem die ganze Zeit anpassen. Schnüffeln und Markieren sind natürlich nicht erlaubt, denn der Hund hat sich nach seinem Menschen zu richten, der das auch nicht tut.

Meine ehrliche Meinung dazu: Solche Spaziergänge kann man sich dann auch komplett sparen, denn der Hund hat davon gar nichts. Das ist, als ginge man mit einem Kind in einen reich gefüllten Spielzeugwarenladen, aber es darf nichts anfassen und bekommt auch kein Spielzeug geschenkt. Es darf nur von weitem all die schönen Dinge angucken, die es nicht haben darf. Was baut man durch so ein Verhalten auf? Doch nichts als Frustration und Enttäuschung.

Für einen Hund ist auf dem Spaziergang nicht die Bewegung das Wichtigste, sondern die Wahrnehmung der Gerüche und Geräusche. Derselbe Weg, den er morgens schon gelaufen ist, kann am Nachmittag ganz anders riechen. Er ist immer wieder aufs Neue interessant, denn in der Zwischenzeit sind vielleicht Katzen, Wildtiere oder der Rüde von gegenüber dort entlang gelaufen und haben ihre Spuren hinterlassen.

Ein gesunder, angstfreier, lebenslustiger Hund ist neugierig. Er will seine Umgebung erkunden und dafür läuft er kreuz und quer über den Weg, er läuft vorweg, bleibt stehen, fällt zurück, holt uns wieder ein usw. Er ist in Bewegung und das nicht linear, sondern oftmals eben schlicht „immer der Nase nach“. Das ist Normalverhalten. Kein Hund ist dominant, weil er vorweglaufen will, er ist einfach neugierig und will als Erster wissen, was dieser spannende Spaziergang zu bieten hat.

Diese Freiheit sollten wir ihm auch geben. Aber eben nur solange er die Freiheit Anderer nicht einengt. Das heißt: Kommt uns ein uns fremder angeleinter Hund entgegen, nehmen wir sofort unseren Hund an die Leine. Das gehört sich einfach so, und da gibt es auch nichts zu diskutieren. Wird diese einfache und klare Höflichkeitsregel endlich mal von allen berücksichtigt, dann würden sich zahlreiche angespannte Gespräche unter Hundehaltern nach dem Motto: „Meiner tut nichts!“ – „Schön für Sie, meiner aber schon …!“ erübrigen.

Ebenso nehmen wir unseren Hund – insofern das gut klappt, andernfalls hat man ja auch noch eine Leine – zumindest bei Fuß, wenn uns Jogger, Radfahrer oder andere Freizeitsportler entgegenkommen.

Wenn unser Hund jagt, müssen wir aufpassen, dass er keine anderen Tiere belästigt oder gar hetzt. Das gehört zu unserer Aufsichtspflicht, die wir übernommen haben. Und besonders schwer ist das auch nicht, denn dafür wurden schließlich Hundeleinen in allen möglichen Längen für sämtliche Gelegenheiten erfunden. Trägt der Hund ein gut sitzendes Geschirr, dann gewöhnt er sich sehr schnell an die lange Leine und nimmt diese überhaupt nicht mehr als störend wahr, und entspannte Spaziergänge mit vielen Schnüffeleinheiten sind wieder gesichert. Parallel dazu kann man ja trotzdem ein positiv aufgebautes Antijagdtraining beginnen, um den Hund vielleicht irgendwann einmal ganz frei laufen lassen zu können.

Freiheit ohne Rücksicht auf Verluste ist keine Freiheit, sondern Egoismus. Und oft schadet man dadurch sogar dem Hund, denn so mancher Hund, der von seinem Menschen zu viel Freiheit bekam, wurde am Ende durch Maulkorb- und Leinenzwang bestraft, weil er einen ängstlichen Menschen bedrängt und angesprungen hatte. Rücksichtnahme auf Andere ist wichtig, und man darf natürlich nicht vom Hund erwarten, dass er selbst auf die Idee kommt, sich vorbildlich zu verhalten. Die Verantwortung für das Verhalten unserer Hunde liegt einzig und allein bei uns.

(Inga Jung, September 2015)

Aktion „Gelber Hund“

 

Seit etwa drei Jahren gibt es sie nun schon, die Aktion „Gelber Hund“. Die Idee dahinter ist, einen Hund, der mehr Abstand zu anderen Hunden braucht, durch eine gelbe Schleife oder ein gelbes Halstuch zu kennzeichnen, damit schon von weitem erkennbar ist, dass dieser Hund gerade keinen direkten Hundekontakt möchte.

Die Gründe können vielfältig sein: zum Beispiel ist der Hund durch eine Operation, eine Krankheit oder das Alter geschwächt oder hat Schmerzen und möchte deshalb nicht von anderen Hunden angerempelt werden – auch nicht auf freundlich gemeinte Weise.

Es könnte auch eine läufige Hündin sein oder ein Hund, der insgesamt eine große Individualdistanz hat und direkten Kontakt zu anderen Hunden nicht besonders schätzt. Oder der Hund hat schlechte Erfahrungen gemacht oder ist ungenügend sozialisiert und reagiert daher aus Unsicherheit aggressiv auf andere Hunde. Oder er hat eine ansteckende Krankheit.

Es ist ja eigentlich auch völlig egal, aus welchem Grund ein Hund Distanz zu anderen, ihm fremden Hunden braucht. Niemand sollte sich deswegen rechtfertigen müssen. Es ist eben so wie es ist. Die gelbe Farbe soll signalisieren, dass dem so ist und dass entgegenkommende Hunde bitte angeleint und auf Abstand gehalten werden sollten.

Ich finde diese Idee ganz wunderbar. Nur bezweifle ich, dass sie viel nützen wird. Denn die Realität sieht doch leider so aus:

Ich bin mit meiner Hündin, die ganz und gar keinen Wert auf direkten Kontakt zu fremden Artgenossen legt, unterwegs und mir kommt eine Hundehalterin mit ihrem freilaufenden Hund entgegen. Ich nehme meine Hündin an die Leine. Eigentlich sollte das allein vollkommen ausreichen, damit die mir entgegenkommende Person ihren Hund ebenfalls ohne große Umschweife anleint. Aber nein, keine Reaktion.

Ich suche nach einer Einbuchtung oder einem kleinen Trampelpfad, auf den ich ausweichen könnte, um nicht direkt auf den anderen Hund zuzusteuern, denn das würde meine Hündin bereits als Provokation deuten. Da ist leider nichts zu sehen, also drücke ich mich so weit es geht mit meinem Hund ins Gebüsch, lasse ihn sich setzen und schirme ihn mit meinen Beinen ab, um ihm Distanz zu dem hoffentlich gleich anstandslos vorbeigehenden Hund zu schaffen. Die mir entgegenkommende Hundebesitzerin zeigt immer noch null Reaktion.

Da sie nun schon recht nah ist, rufe ich ihr höflich entgegen: „Nehmen Sie bitte Ihren Hund an die Leine?“ Natürlich kommt prompt die patzige Antwort: „Wieso denn?“

Naja, inzwischen ist es eh zu spät. Der Hund hat uns entdeckt und kommt direkt auf mich und meine Hündin zu gerannt. Die Frau versucht halbherzig, ihn zu rufen, aber jetzt hört er natürlich nicht mehr. Er bleibt einen Zentimeter vor der Nase meiner Hündin stehen. Und meine Hündin rastet selbstverständlich völlig aus, angesichts dieser dreist direkten, viel zu schnellen, viel zu nahen und überhaupt in ihren Augen aggressiven Annäherung.

Ich weiß nicht, wie oft uns exakt diese Begegnung schon widerfahren ist. Ich kann es gar nicht mehr zählen, es war schon viel zu oft. Und jedes Mal ist ein Mal zu viel, denn es ist einfach nur unnötig und frustrierend für mich und meine Hündin, und dem anderen Hund tut der Schreck auch nicht wirklich gut.

Ich fürchte, wenn die Menschen schon auf die geballte Ladung körpersprachlicher Zeichen und eindeutiger sprachlicher Hinweise absolut keine Reaktion zeigen, dann wird so eine gelbe Schleife auch nicht viel nützen. Wenn man Pech hat, kommen sie dann erst recht mitsamt ihrer freilaufenden Hunde dicht heran, um einen zu fragen, warum der Hund denn so hübsch dekoriert ist. „Hat der Geburtstag? Komm, Bello, wir gehen da mal hallo sagen.“

Nein, meine Hündin möchte Bello nicht „hallo“ sagen. Meine Hündin möchte Bello viel eher „verschwinde aus meinem Revier und lass dich hier nie wieder blicken“ sagen.

Nicht jeder Hund ist so gesellig wie Bello. Nicht jeder Hund legt viel Wert auf Hundebekanntschaften. Manche Hunde sind froh, wenn andere sie einfach in Ruhe lassen. Aber es gibt leider Menschen, die das nie begreifen werden, und gegen die wird auch eine gelbe Schleife nichts ausrichten können. Ausprobieren kann das aber natürlich jeder gern. Vielleicht spricht es sich eines Tages wirklich so weit herum, dass auch Bellos Frauchen es begreift.

(Inga Jung, August 2015)