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Plastikvermeidung Teil 3 – Es geht weiter

Ich hatte es schon im letzten Artikel angekündigt: Ich wollte versuchen, Spülmittel selbst herzustellen, um die Plastikverpackungen einzusparen. Und ich habe es getan.

Die Anleitung aus dem Internet war denkbar einfach: Etwas Pflanzenseife reiben, kochendes Wasser dazu, rühren und zum Schluss noch ein bisschen Natron. Fertig.

Das Ergebnis lässt leider zu wünschen übrig. Die Reinigungsleistung ist okay, aber das selbstgemachte Spülmittel hinterlässt hässliche Schlieren auf dem Geschirr. Vor allem auf Plastik und Metall. Ich war lange mit dem Nachputzen der Töpfe und Schüsseln beschäftigt. Das hat mich jetzt nicht begeistert. Aber vielleicht habe ich nur die falsche Seife genutzt. Auf einen erneuten Versuch müsste man es ankommen lassen. Bis dahin nutze ich weiter das Spülmittel aus dem Bioladen.

Es gibt aber noch eine weitere, in Sachen Müllvermeidung auch sehr viel bedeutendere Änderung, an die ich mich in den letzten Monaten gewagt habe:

Ich konsumiere nämlich ziemlich viel Hafermilch. Ich trinke sie im Kaffee und im Tee, und das auch wirklich in rauhen Mengen. Es hat mich schon immer sehr gestört, dass unsere gelbe Tonne dadurch mit zahlreichen leeren Tetrapaks gefüllt wurde, und ich habe oft überlegt, ob man das nicht besser machen könnte.

Dann habe ich in der Ökotest auch noch gelesen, dass meine Lieblings-Barista-Hafermilch aufgrund zahlreicher Zusätze gar nicht sonderlich gesund ist. Vor allem wenn man davon so viel trinkt wie ich, dann kann es zu einer Überdosierung der zugesetzten Vitamine und Mineralstoffe kommen, was sich auf Dauer negativ auf die Gesundheit auswirken kann. Und Zucker und Öl sind auch drin, darauf könnte man doch auch verzichten.

Also habe ich mal die Suchmaschine angeworfen und einige Rezepte für Barista-Hafermilch gefunden. Gesagt, getan: Ich kaufte mir einen Standmixer (mit Glasbehälter, auch hier kann man Plastik reduzieren) und einen Wasserfilter (auch mit Glasbehälter) sowie zwei waschbare Nussmilchbeutel. Auch hier muss man aufpassen, dass man nicht welche aus Synthetik erwischt. Ich habe mich für Nussmilchbeutel aus 100% Hanf entschieden. Funktioniert wunderbar.

Um meine selbst hergestellte Hafermilch abzufüllen, brauchte ich schließlich noch zwei dunkle Glasflaschen mit breiter Öffnung. Es gibt diese im Kühlregal mit Milch, aber inzwischen auch mit Barista Hafermilch. Ich habe mich natürlich für Letzteres entschieden und die Flaschen erstmal leergetrunken. Lebensmittel wegschütten ist nicht mein Ding. Ich muss allerdings sagen, das war eine Überwindung, denn diese Hafermilch in der Glasflasche gehörte zu den widerlichsten Hafermilch-Mischungen, die ich je getrunken habe. Und ich habe schon einige probiert, die echt nicht lecker waren, bevor ich meinen Favoriten fand.

Aber auch diese Erfahrung hat mich motiviert, denn besser als das wird meine eigene Hafermilch ganz bestimmt schmecken. Man muss sich ja nicht immer mit dem Besten vergleichen …

So, nun waren meine Vorbereitungen abgeschlossen, und ich konnte loslegen.

Und es ist tatsächlich unfassbar einfach:

Man nimmt einen Liter Wasser, dazu eineinhalb Esslöffel Cashewmus und 90g Haferflocken (Kleinblatt). Dann wird ca. 30 Sekunden gemixt, und alles kommt in den Nussmilchbeutel, der in einer großen Schüssel bereitliegt.

Nun kommt der nervigste Teil: Man muss den Nussmilchbeutel auswringen, bis alle Flüssigkeit in der Schüssel ist. Leider spritzt dabei manchmal unkontrolliert etwas Hafermilch zur Seite. Wer also Wert auf saubere Klamotten legt, ist mit einer Schürze gut beraten.

Ist alle Flüssigkeit in der Schüssel, kann sie in die Flasche umgefüllt werden, und ab damit in den Kühlschrank. Den Haferflockenrest aus dem Nussmilchbeutel kann man z.B. im Müsli oder als Porridge essen oder in Brot oder Kekse einbacken.

Ich mache immer zwei Flaschen auf Vorrat. Die Hafermilch soll sich ca. fünf Tage im Kühlschrank halten, aber so lange halten die zwei Liter bei mir meist eh nicht.

Da ich keinen Emulgator hinzugebe, muss die Hafermilch immer sehr gut geschüttelt werden, bevor man sie in den Kaffee gibt.

Vom Geschmack her muss ich sagen: Ganz so toll wie meine Lieblings-Barista schmeckt sie nicht. Dafür müsste ich vermutlich wirklich noch Zucker dazutun. Aber mache ich natürlich nicht, schließlich will ich ein gesundes Produkt.

Und ganz ehrlich: Von den vielen im Markt erhältlichen Hafermilch-Produkten ist meines auf jeden Fall vom Geschmack her sehr viel leckerer als die meisten. Also ich kann nur dazu raten, das einfach mal auszuprobieren. Ich bin zufrieden.

Und ein Blick in die gelbe Tonne verstärkt dieses Gefühl sehr, denn die ist jetzt nur noch halb so voll wie früher. Das ist wirklich wunderbar.

Eine weitere kleine Veränderung gab es auch noch in den letzten Monaten: Da Marty nichts anderes frisst, habe ich auf den Spaziergängen immer einige Käsewürfel als Leckerli dabei. Die tut man natürlich nicht einfach so in die Tasche. Vor allem bei sommerlichen Temperaturen würde das sonst eine ziemlich eklige Angelegenheit werden. Ich hatte sie daher zunächst immer in einer kleinen Plastiktüte. Hin und wieder musste ich diese aus hygienischen Gründen auswechseln. Also wieder Müll. Nicht gut.

Dann bin ich durch Zufall im Internet über eine kleine aufklappbare Blechdose gestolpert, mit dem bezaubernden Aufdruck „Die besten Leckerli für brave Hundejungs“. Ich war hin und weg. Die musste ich haben. Und das war wirklich eine super Investition. Man kann die Dose im normalen Abwasch säubern, so ist die Hygiene gewahrt. Und sie nimmt auch nicht viel Platz weg und passt in jede Jackentasche. Und das Beste: Kein Plastikmüll mehr. Perfekt!

Ich werde weiterhin die Augen nach Möglichkeiten der Plastik-Reduzierung offenhalten.

Da ist bestimmt immer noch viel Potenzial nach oben. Vor allem beim Blick in den Kühlschrank.

Apropos: Wir haben jetzt ein Hochbeet und ziehen neben unseren alljährlichen Tomaten nun auch eigenen Salat und Rucola. Das ist echter Luxus. Mal eben zum gerade geschmierten Brot noch ein Salatblatt und zwei Tomaten aus dem Garten holen und direkt essen. Regionaler geht es gar nicht. Und leckerer auch nicht.

Ach ja, Brot backe ich übrigens seit einiger Zeit auch selbst. Habe ich das schon erwähnt? Eine Freundin von mir hat mir ein unglaublich einfaches, schnelles Rezept gegeben. Ohne lange Gehzeit, einfach zusammenrühren und in den Ofen. Wenn es so leicht geht, bin sogar ich als absoluter Backmuffel dafür zu begeistern. Und man kann das Rezept wunderbar variieren, sodass es nicht langweilig wird.

Hundekekse backe ich auch schon seit etwa zehn Jahren selbst. Nicht nur um Müll zu vermeiden, sondern vor allem auch um keine ungesunden Zusatzstoffe zu verfüttern. Und selbst zu backen ist natürlich auch viel günstiger, als Kekse zu kaufen. Meine Hunde waren immer begeistert von meinen Keks-Variationen.

(Inga Jung, September 2024)

Plastikvermeidung Teil 2 – Da geht noch mehr!

Die ersten, zaghaften Anfänge waren also gemacht, und ich hatte Feuer gefangen. Nun sollte es richtig losgehen.

Meine Schwester war vor etwa vier Jahren genau wie ich am Überlegen, wo man Plastik vermeiden könnte, und so schenkte sie mir ein kleines Glas mit einer selbstgemachten Deocreme. Ich war zuerst skeptisch und dachte, was kann so ein selbstgemachtes Deo wohl, was die Industrie in den vielen Jahrzehnten der Deoproduktion nicht geschafft hat? Ich brauchte erst einmal das bereits angefangene gekaufte Deo auf, bevor ich die selbstgemachte Deocreme probierte. – Und ich war vom ersten Tag an überwältigt!

Diese simple Deocreme, die nur aus Kokosöl, Kartoffelstärke und Natron besteht und somit theoretisch sogar essbar wäre, wirkt tatsächlich besser als alle Kauf-Deos, die ich in meinem Leben bisher ausprobiert habe. Wer gern mehr Duft hätte, kann ein paar Tropfen ätherisches Öl hinzufügen, aber das ist kein Muss. Ohne dies duftet die Creme ganz dezent nach Kokos. Sehr viel angenehmer als die oft aufdringlichen synthetischen Gerüche der Kauf-Deos.

Das absolut simple Rezept findet man im Netz, und auch in einer Ausgabe der Öko-Test war es kürzlich abgedruckt. Das Anrühren einer Portion, die über einen Monat reicht, dauert nur wenige Minuten. Kokosöl bekommt man im Glas, und Kartoffelstärke und Natron in einer Papierverpackung. Auch die Zutaten sind somit komplett plastikfrei erhältlich. Ich kaufe sie immer im Bioladen.

Als Dosierung nimmt man nur jeweils eine etwa erbsengroße Menge. Dann gibt es auch keine Flecken auf den Klamotten. Sollte man es doch einmal zu gut gemeint haben und ein Fleck entstanden sein, lässt der sich bei 40 Grad rückstandslos auswaschen, ohne Fleckenentferner nutzen zu müssen.

Ich bin absolut begeistert und werde nie wieder ein industriell hergestelltes Deo kaufen.

Nach diesem so fantastischen Start habe ich mich im Badezimmer weiter umgeschaut. Flüssigseife, Duschgel, Shampoo – alles in Plastikflaschen. Muss das sein? – Nein, das muss ganz sicher nicht sein. Es gibt für all das super Alternativen.

Zum Händewaschen und Duschen habe ich nach festen Seifenstücken gesucht, die vegan, aber ohne Palmfett sind. Gar nicht so einfach, da etwas Brauchbares und Bezahlbares zu finden. Aber ich bin – zum Teil in einer Drogerie und zum Teil in einer Manufaktur, die ihre Seifen übers Internet vertreibt – fündig geworden und absolut zufrieden.

Für die Haare gibt es inzwischen überall festes Shampoo und Haarseife zu kaufen. Wobei ich sagen muss, dass Haarseife absolut nicht meins ist. Ich habe mal ein Stück gratis zu meiner Seifenbestellung bekommen und ausprobiert. Das Ergebnis waren Haare, die sich nach dem Waschen fettiger anfühlten als vorher. Das ging gar nicht.

Festes Shampoo dagegen ist einfach Shampoo-Konzentrat, dem das Wasser entzogen wurde. Auf den ersten Blick mag der Preis abschrecken, der je nach Marke etwa doppelt so hoch ist wie der Preis für eine Shampoo-Flasche. Aber ein Stück festes Shampoo hält auch sehr viel länger als eine Flasche flüssiges Shampoo. Man braucht wirklich nur wenig davon. Und so gleicht sich der Preis sehr schnell wieder aus.

Ich achte auch bei festem Shampoo auf Naturkosmetik, vegan und ohne Palmfett. Und ich schaue mir die Öko-Test Ergebnisse an, um in puncto Inhaltsstoffe auf der sicheren Seite zu sein. Wer aufs Geld achten muss, findet gute und günstige feste Shampoos vor allem bei den hauseigenen Naturkosmetik-Linien der großen Drogerieketten. Am besten testet man ein, zwei Produkte eine Weile aus, bevor man sich für sein Lieblings-Shampoo entscheidet. Die Auswahl ist inzwischen riesig.

Was haben wir noch für Plastikflaschen im Bad? Ach ja, Gesichtsreiniger. Auch da gibt es gute Neuigkeiten: Seit einiger Zeit ist fester Gesichtsreiniger auf dem Markt. Die festen Gesichtsreiniger der meisten Naturkosmetik-Marken wurden auch in der Zeitschrift Öko-Test als gut befunden. Da gibt es also nichts zu befürchten. Und an die Anwendung gewöhnt man sich schnell.

Durch die Lektüre der Öko-Test habe ich im Laufe der letzten Jahrzehnte schon so manche langjährig genutzten Produkte entsetzt aussortiert. Es ist unfassbar, was man sich so alles ohne es zu wissen an Chemie und Flüssigplastik auf die Haut oder in die Haare schmiert. Ich kann nur jedem, der immer noch Produkte der großen, einflussreichen Marken nutzt, empfehlen, sich mit den Inhaltsstoffen kritisch auseinanderzusetzen.

Manchmal ist die Lektüre dieser Zeitschrift auch wirklich ernüchternd. Ich achte zum Beispiel seit vielen Jahren beim Kauf der Kosmetikprodukte, die ich noch nicht selbst herstelle, darauf, dass kein Palmfett enthalten ist. Was ich aber bis vor kurzem nicht wusste, ist, dass nicht nur die eindeutige Bezeichnung „Sodium Palmate“ für Palmöl steht, sondern ebenso „Cetearyl Alcohol“, „Glyceryl Stearate“, „Glyceryl Stearate Citrate“ oder „Glyceryl Stearate SE“. Wie soll man als Otto-Normal-Bürger solche Bezeichnungen kennen?

Ich habe direkt nach der Lektüre dieses Artikels nachgeschaut, und siehe da, sowohl in meiner Gesichtscreme, als auch in dem festen Gesichtsreiniger ist „Cetearyl Alcohol“ enthalten, und in der Gesichtscreme zusätzlich „Glyceryl Stearate“. Na toll. Aber zumindest das feste Shampoo und die Seifen sind frei davon. Vielleicht finde ich für die anderen Produkte auch noch andere Lösungen. Als „gut“ getestet und Naturkosmetik sind beide trotzdem, insofern nicht so falsch wie es z.B. die parabenhaltige Gesichtscreme war, die ich vor vielen Jahren mal genutzt habe. 

Wo wir gerade beim Thema Gesichtscreme sind – ich hatte schon überlegt, auch diese selbst zu machen, um auch hier Plastik zu vermeiden. Aber wenn man empfindliche Haut hat und ewig brauchte, um eine Creme zu finden, die nicht zu fettig und nicht zu wasserhaltig ist und bei jedem Wetter passt, dann hat man keine große Lust auf Experimente. Daher habe ich das zunächst noch auf später verschoben.

Was ich aber direkt in Angriff genommen habe, ist das Thema Bodylotion. Denn wenn man schon eine Deocreme so leicht selbst herstellen kann, dann sollte eine Bodylotion auch kein Problem sein. Und es würde eine weitere Plastikflasche aus dem Bad verschwinden. Ich habe mir also im Internet Rezepte herausgesucht und losgelegt.

Wobei der Begriff Bodylotion nicht recht passt. Man nennt das, was ich mir rausgesucht habe, genauer gesagt Körperbutter. Ich finde allerdings, das klingt irgendwie eklig. Mit dem Wort Butter verbinde ich dieses schnell ranzig werdende Milchprodukt, und das hat mit der Creme, die ich hergestellt habe, nun wirklich nichts gemein. Lotion ist es aber nicht, denn dafür müsste sie zu einem großen Anteil aus Wasser bestehen.

Ich kaufte also ein und mischte drauflos. Mein erster Versuch war eine Creme aus Kokosöl, Kakaobutter und Mandelöl. Das Rezept klang gut und irgendwie lecker. Schließlich wäre diese Creme auch durchaus essbar. Und die Herstellung war kinderleicht.

Was ich nicht bedacht hatte, ist der durchdringende Geruch der Kakaobutter. Manche Menschen mögen das sicherlich, aber ich kam mir nach dem Eincremen vor wie ein riesiger Schoko-Weihnachtsmann. Das war nicht so mein Fall. Natürlich habe ich die Creme nicht weggeworfen, sondern verbraucht. Alles andere wäre nicht besonders nachhaltig gewesen. Aber dieses Rezept wollte ich so nicht noch mal nutzen.

Ich änderte es bei meinem zweiten Versuch etwas ab und verwendete statt der Kakaobutter nun Sheabutter. Und das war perfekt! Der Geruch ist viel dezenter und sehr angenehm, und auch die Konsistenz ist besser. Durch die Kakaobutter war die Creme bei meinem ersten Versuch bei 20 Grad Raumtemperatur etwas zu hart, man musste sie immer zunächst zwischen den Fingern anwärmen. Das ist bei der Sheabutter nicht der Fall. Und alle drei Zutaten sind im Bioladen im Glas erhältlich, ganz ohne Plastik.

Seit einiger Zeit gibt es auch eine plastikfreie Alternative zu Zahnseide. Diese Zahnseide ist aus biologisch abbaubarer Maissseide hergestellt, und auch die Verpackung ist plastikfrei. Im Test wurde diese Variante als gut bewertet.

Und nicht zu vergessen natürlich auch die Wattestäbchen aus Bio-Baumwolle mit Papierschaft statt Plastik. Sofern man sowas denn überhaupt braucht.

Geschirrspültabs gibt es im Bioladen im Karton, die Tabs sind einzeln verpackt in vollständig biologisch abbaubarer wasserlöslicher Folie aus Polymeren.

Glasreiniger oder auch Badezimmer-Reiniger gibt es ohne Plastikverpackung als Tabs zu kaufen. Man nimmt einfach eine Flasche, legt den Tab hinein und füllt die Flasche mit Wasser auf. Der Tab löst sich auf, und fertig ist der Reiniger. Viele Haushaltsreiniger lassen sich allerdings auch selbst herstellen, und gegen Kalk helfen z.B. einfach Essigessenz oder Zitronensäure. Niemand braucht die ganzen Power-Reiniger aus der Werbung für den Hausputz. Das geht alles sehr viel umweltverträglicher, mit dem gleichen guten Ergebnis.

Was ich demnächst noch in Angriff nehmen möchte, ist die eigene Herstellung von Spüli. Schwer ist das nicht, aber ich bin mir bei dem Rezept, das ich im Internet gefunden habe, noch nicht sicher, wie es mit der Fettlösekraft ausschaut. Wir werden sehen. Vielleicht gibt es dazu bald einen neuen Blog-Beitrag.

(Inga Jung, April 2023)

Plastikvermeidung Teil 1 – wo fängt man an?

Jeder weiß es: Wir produzieren viel zu viel Plastik, das viel zu schnell wieder im Müll landet und nicht nur unsere Umwelt, sondern auch unsere eigene Gesundheit gefährdet. Und wie man es auch dreht und wendet, es bleibt doch dabei: Am besten ist es, wenn gar nicht erst so viel Plastik hergestellt wird.

Das heißt, wir alle als Verbraucher sind gefragt, mit unserem Konsumverhalten dazu beizutragen, dass die Plastikproduktion nicht noch mehr ausartet. Und das bedeutet, möglichst wenig Plastik zu kaufen. Vor allem in Bezug auf die Dinge, die wir nicht lange benutzen werden.

Denn es ist natürlich ein Unterschied, ob ich mir einen Eimer aus Plastik kaufe, den ich die nächsten 20 Jahre in Haushalt und Garten benutzen werde, oder ob ich mir Duschgel in einer Plastikverpackung kaufe, die in ein paar Wochen wieder im Müll landet. Auch dann, wenn diese Verpackung theoretisch recyclingfähig ist. Denn ob sie wirklich zu 100 Prozent recycelt wird, das weiß ich nicht und das kann ich auch nicht beeinflussen. Also ist es besser, diesen Müll gar nicht erst zu kaufen. Dann veranlasst man auch nicht dessen Produktion.

Nun schaut man sich um und stellt fest: Wir sind umgeben von Plastik. Wo fängt man denn bloß an?

Geht man in den (Bio-)Supermarkt, ist die Verzweiflung schnell da. Denn für viele Lebensmittel gibt es gar keine Alternativen ohne Plastikverpackung. Ein paar Möglichkeiten hat man aber immer. So bringen zum Beispiel die meisten Obst- und Gemüsesorten ihre eigene Verpackung mit. Es ist völlig unnötig, sie in eine Tüte zu tun. Man kann sie einfach lose in den Einkaufswagen legen. In den meisten Märkten wird ohnehin an der Kasse abgewogen, und so muss man sich auch nicht mehr wie früher erklären, für wie viele Äpfel nun der Preisaufkleber gilt. Für kleineres Obst und Gemüse wie Cherrytomaten (die wir übrigens in den Sommermonaten selbst ziehen und ernten) oder Weintrauben gibt es in unserem Bio-Supermarkt Papiertüten. Hin und wieder habe ich das auch schon in konventionellen Supermärkten gesehen, diese ziehen langsam nach. Diese Papiertüten kann man übrigens noch wunderbar für den Biomüll wiederverwenden.

Es gibt auch inzwischen ein paar Hafermilch-Produzenten, die Glas-Pfandflaschen anbieten. Das finde ich großartig. Die von mir hauptsächlich gekaufte Barista-Hafermilch habe ich bisher aber leider nur im Tetrapak entdeckt. Ich hoffe, da tut sich bald noch was.

Auch Fruchtsäfte gibt es in Glas-Pfandflaschen. Das ist auf jeden Fall besser als Plastik oder ein Tetrapak.

Und wer Mineralwasser in Flaschen kauft, sollte auf jeden Fall darauf achten, Glas-Pfandflaschen von einem Anbieter aus der Region zu kaufen. Warum sich Plastikflaschen verbieten, sollte klar sein (auch aus gesundheitlichen Gründen). Glasflaschen aus der Region haben zudem eine deutlich bessere Ökobilanz als Glasflaschen, die per LKW weite Wege zurücklegen. Denn Glas ist schwer und steigert dadurch die Emissionen des LKW. Die Transportwege sollten deshalb möglichst nicht zu lang sein.

Im Lebensmittelbereich habe ich allerdings bei vielen Produkten aktuell noch vor der Plastikflut kapituliert. Haben wir die Wahl z.B. zwischen einer Plastikverpackung und einem Glas, dann lassen wir das Plastik natürlich im Regal stehen, aber häufig gibt es diese Alternative schlicht nicht.

Selbstverständlich kann man auch zu einem Unverpackt-Laden fahren, wenn man einen in der Nähe hat. Aber auch diese Läden stoßen bei manchen Produkten an ihre Grenzen.

Viele Möglichkeiten der Plastikvermeidung gibt es hingegen im Kosmetik-, Hygiene- und Reinigungsmittelbereich. Aber bevor man jetzt losrennt, sich in blindem Aktionismus eine Bambus-Zahnbürste kauft und damit ein wunderbar reines Gewissen hat, sollte man sich doch erst mal überlegen, welche Artikel im eigenen Leben überhaupt den meisten Müll verursachen. Das ist auch eine ganz individuelle Sache.

Ich gehöre beispielsweise zu diesen Leuten, denen permanent die Nase läuft. Im Herbst und Winter wegen des kalten Windes und im Frühjahr und Sommer wegen des Heuschnupfens. Ich habe daher im Laufe meines Lebens Berge an Papiertaschentüchern (mit den dazugehörigen Plastikverpackungen) entsorgt. Damit sollte endgültig Schluss sein. Ich besann mich auf die guten alten Stofftaschentücher, die mein Vater früher immer mit sich herumtrug. Warum nicht? Also auf in die Stadt und einen ordentlichen Vorrat Stofftaschentücher gekauft.

Anfangs war es etwas komisch, sich damit die Nase zu putzen. Wenn man das noch nie gemacht hat, kommt es einem irgendwie „verboten“ vor, als würde man sich in ein Kleidungsstück schneuzen. Aber das ist reine Gewohnheitssache. Inzwischen nutze ich schon seit über drei Jahren nur noch Stofftaschentücher. Wenn man sie zusammen mit Handtüchern und Bettwäsche bei 60 Grad wäscht, werden sie wunderbar sauber und haben überhaupt keinen Nachteil im Vergleich zu den Papiertaschentüchern. Und unser Restmüllvolumen hat sich allein durch diese Maßnahme fast um die Hälfte reduziert.

Was verursacht noch viel Plastikmüll? Da brauchte ich nicht lange zu überlegen. Ich verbrauche mit zwei Hunden jedes Jahr 1.100 Hundekotbeutel. Und das obwohl ich auf dem Dorf lebe und hier in Wald und Feld nicht mal jeden Haufen aufsammele. In der Stadt dürfte die Rechnung etwa doppelt so hoch ausfallen. Was gibt es da an Alternativen?

Mit Schaufel und Besen durch die Gegend zu laufen finde ich unhygienisch. Papiertüten sind schwierig zu handhaben und nicht gerade wasserfest. Ist der Kot nicht ganz hart, kann das schnell eklig werden.

Ich habe mich für einen Kompromiss entschlossen und kaufe seit einigen Jahren kompostierbare Hundekotbeutel. Die nutzt man genau wie Plastikbeutel, und sie sind gut zu handhaben. Die Beutel sind auf einem Pappröllchen aufgerollt und werden zu je acht Rollen in einer Karton-Umverpackung verkauft. Leider dürfen sie nicht in die Biotonne. Man muss sie genau wie die Plastiktüten über den Restmüll entsorgen, und in der Verbrennung ist ihre Ökobilanz nicht viel besser als die von Plastik. Trotzdem ist das für mich eine gute Alternative, denn falls doch mal eine Tüte auf irgendwelchen Wegen in der Natur landen sollte, warum auch immer, wäre das dann nicht so dramatisch wie bei einer Plastiktüte.

Denken wir weiter und kommen ins Badezimmer. Da fällt mir zuerst das Klopapier ins Auge. Hier ist es zunächst extrem wichtig, 100% Recyclingpapier zu kaufen. Es gibt einfach nichts Absurderes als Bäume abzuholzen, nur um Klopapier daraus zu machen. Irgendwie auch ein entwürdigender Gedanke. Und völlig unsinnig. Unsere Papiermülltonnen sind voll, Papierrecycling ist möglich und wird auch durchgeführt. Und gerade Klopapier, das aus bekannten Gründen nicht noch einmal wiederverwertet werden kann, sollte auf jeden Fall ein Recyclingprodukt sein. Hat jetzt nichts mit Plastikmüll zu tun, aber mir war es trotzdem wichtig, das zu erwähnen.

Kommen wir zur Umverpackung. Es gibt bereits ein paar Hersteller, die Klopapier in einer Papierverpackung verkaufen. Meist ist dann allerdings das Klopapier selbst kein Recyclingpapier, was dem Umweltschutzgedanken wiederum widerspricht. Ich persönlich setze einfach auf Wiederverwendung. Wenn man die Umverpackung der Klopapierrollen am oberen Ende abschneidet, eignet sie sich ganz wunderbar als Müllbeutel für kleine Mülleimer. So tun sie in ihrem zweiten Leben etwas Nützliches, und ich muss keine Müllbeutel kaufen. Und solange wir noch ein wenig Restmüll produzieren, passt diese Lösung für mich sehr gut.

Wir bewegen uns weiter durchs Badezimmer und finden noch zahlreiche Produkte, bei denen man sogar komplett auf Plastik verzichten kann. Aber dazu mehr in Teil 2 dieser Ideensammlung …

(Inga Jung, Februar 2023)

Fortschritte mit Marty

Ich hatte im Juni letzten Jahres noch erzählt, dass Marty fürchterliche Angst vor Besuchern hat. Aber dass er von meiner Freundin, mit der wir oft spazieren gehen, Leckerlis nimmt und wir mit ihr bald ein Besuchertraining starten wollen. – Gesagt, getan. Im vergangenen Sommer ging es los. Und wie ich es erwartet hatte, klappte es ganz wunderbar.

Voraussetzung war zunächst, dass wir erst einmal mit unseren Hunden gemeinsam spazieren gingen, so wie Marty es bereits kannte. Nach dem Spaziergang gingen wir dann alle zusammen in unser Haus und gleich durch in den Garten, wo viel Platz war. Marty konnte sich entscheiden, ob er lieber Abstand halten oder nah zu uns herankommen wollte. Und die Hunde gaben ihm Sicherheit und lenkten ihn von den Menschen ab. Das war ein voller Erfolg.

Noch zweimal machten wir es auf diese Weise, trafen uns zuerst draußen zu einem kleinen Spaziergang und gingen dann zusammen ins Haus. Die Hunde spielten und wir unterhielten uns. Marty blieb entspannt. Er kannte alle anwesenden Menschen, und es war auch kein Mann dabei. Vor Frauen hat er weniger Angst.

Da das so gut klappte, ließ ich meine Freundin beim nächsten Mal direkt ins Haus. Wichtig war nur, dass sie nicht klingelte, damit Marty sich nicht aufregte. Sie schob ihre Hündin als Erstes durch die Tür in den Flur, und so hatte Marty direkt seine kleine Freundin vor der Nase und gar keine Zeit, sich über den Gast aufzuregen. Auch das funktionierte wunderbar.

Zum Schluss waren wir dann so weit, dass meine Freundin auch ohne Hund unser Haus betreten konnte. Diese Situation findet Marty noch ziemlich aufregend. Aber es geht. Er rennt nicht weg und greift auch nicht an. Er bellt nur. Das ist okay. Er bellt auch nach wie vor, wenn mein Mann nach Hause kommt, einfach weil das ein aufregender Moment ist und er dann auch immer noch seine Käsewürfel erwartet. Wir füttern diese weiterhin, wenn mein Mann nach Hause kommt, um die positive Verknüpfung aufrechtzuerhalten. Denn Marty lässt sich von ihm immer noch nicht anfassen. Abgesehen davon kommen die beiden inzwischen aber schon ganz gut miteinander zurecht.

Aber wir waren bei den Fortschritten. Der Besuch meiner Freundin ist jetzt also in Ordnung. Der Besuch von Männern ist weiterhin schwierig. Aber solange Marty in meinem Arbeitszimmer hinter dem sicheren Kindergitter ist, bleibt er die ganze Zeit ruhig und relativ entspannt im Hundebett, während der Besuch da ist. Er bellt nicht und läuft auch nicht umher. Das sehe ich ebenfalls schon als Fortschritt. Solange es ihn nicht stresst, im Arbeitszimmer zu bleiben, ist das durchaus eine gute Alternative.

Einen weiteren Erfolg können wir in puncto Krallenschleifen verzeichnen. Marty hatte von Anfang an recht lange Krallen, und diese wurden immer länger und länger. Schneiden war schwierig, denn wenn ich da aus Versehen mal bei seinen sehr dunklen Krallen zu viel erwischt und ihm wehgetan hätte, dann hätte ich das für alle Zeiten vergessen können. Also habe ich mir gedacht, Schleifen ist die bessere Alternative.

Anfang 2022 fing ich an, mit Marty das Krallenschleifen zu üben. Jeden Tag nur ein paar Minuten. Es war mühsam. Zuerst habe ich ihn nur an das laufende Gerät gewöhnt und ihn dabei gekrault. Dann habe ich das Gerät seinen Pfoten angenähert und ihn weiter gekrault.

Nach einigen Monaten konnte ich den Krallenschleifer an eine Kralle halten, während ich weiter kraulte. Aber so kann man nicht vernünftig schleifen. Man braucht seine zweite Hand, um die Kralle festzuhalten, damit man mit dem Schleifgerät richtig arbeiten kann. Bis wir so weit waren und das in ersten Ansätzen klappte, vergingen weitere sechs Monate.

Wir übten fleißig jeden Tag weiter. Mal ging es besser, dann wieder schlechter. Es war tagesformabhängig, wie viel Marty mir erlaubt hat. Das Wichtigste beim Üben war, dass er jederzeit die Pfote wegziehen durfte, wenn er nicht mehr wollte. Nur dieses Prinzip hat es mir überhaupt ermöglicht, mit ihm so weit zu kommen. Und meine Geduld hat sich ausgezahlt.

Inzwischen darf ich jeden Tag mindestens zwei Krallen ein paar Sekunden schleifen. Manchmal sogar länger. Da wir weiter täglich üben, haben wir uns langsam vorgearbeitet und alle vier Pfoten einmal durch. Ich würde seine Krallen noch nicht als kurz bezeichnen, aber sie haben nun alle eine normale Länge und splittern auch nicht mehr. Das ist großartig. Ein Ziel, das lange Zeit in weiter Ferne zu sein schien, ist endlich erreicht.

Und es gibt noch einen weiteren Fortschritt: Marty hat entdeckt, dass es Spaß macht, einen Trick zu lernen. Zumindest zu Hause ohne Ablenkung. Und dass ihm nichts Schlimmes passiert, wenn er sich von meiner Hand (mit einem Käsestückchen darin) locken lässt und ihr hinterherläuft. Das ist für ihn ganz und gar nicht selbstverständlich. Das Prinzip, dass er etwas tun sollte, um seine geliebten Käsestückchen zu bekommen, erschloss sich ihm nicht. Er zog sich zurück und sah mich an, als wollte er sagen: „Mach doch deinen Kram alleine, dann ess ich eben keinen Käse.“ Und wenn ich ihn mit einem Leckerli locken wollte, bekam er direkt Panik.

Ich vermute, dass damals in Rumänien in so einer Situation sein Vertrauen missbraucht wurde. Dass er mit Futter gelockt und dann gepackt wurde, als er beispielsweise zum Tierarzt gebracht werden sollte. Solche „Einfangsituationen“, wenn man nach ihm greift, ihn festhält oder ihm den Weg versperrt, sind immer noch starke Angstauslöser bei ihm. Selbst das tägliche Anziehen des Geschirrs zum Spaziergang ist weiterhin schwierig, auch wenn das schon deutlich besser klappt als noch vor ein paar Monaten.

Inzwischen hat sich aber viel getan. Ich habe mit Marty immer mal wieder den Handtouch geübt. Das fand er zuerst total gruselig und hat auch nicht verstanden, was das soll. Warum sollte er die Hand mit der Nase berühren, obwohl da gar kein Futter drin ist? Er war sehr misstrauisch und schreckhaft.

Aber irgendwann machte es Klick bei ihm und er fand Spaß an der Übung. Und nun ist der Handtouch sein Lieblingstrick. Egal wo Marty gerade war, er kommt sofort fröhlich angehopst, wenn er das Signal „Touch“ hört, stupst meine Hand an und schaut mich erwartungsvoll an. Zumindest drinnen. Draußen sind die Ablenkungen oft noch zu groß. Aber wir arbeiten dran.

Und auch das Folgen der Hand mit dem Leckerli war irgendwann plötzlich gar nicht mehr so furchteinflößend. Inzwischen dreht er sich schon in beide Richtungen um seine eigene Körperachse und folgt meiner Hand in sein Hundebett und hinaus, aufs Sofa oder auf die Treppe, ohne Angst zu bekommen. Ich kann ihn auch mit der Hand an eine bestimmte Stelle führen, ihm ein kurzes „Bleib“ signalisieren und ihn dann mit dem Handtouch zu mir rufen. Diese kleine Übung bringt ihm riesigen Spaß.

Das alles eröffnet uns ganz neue, vielfältige Möglichkeiten und ich bin sehr gespannt, was uns die Zukunft noch so bringt. Vielleicht hat Marty ja doch irgendwann noch mal Lust, auch anspruchsvollere Tricks zu lernen. Erst einmal stehen aber der verlässliche Rückruf, das Bleiben in meiner Nähe und das An- und Ableinen ohne Panikattacken auf unserem Zettel, denn ich denke, Marty ist ein Hund, der sehr gut frei laufen könnte und der das wirklich genießen würde. Er hat kaum jagdliche Ambitionen (außer in Bezug auf Mäuse und Eichhörnchen) und achtet beim Spaziergang immer sehr auf mich. Und er möchte so gern rennen. Die paar Meter, die ihm unsere lange Leine an Freiraum bietet, sind eigentlich zu wenig für ihn. Mal sehen, ob ich ihm das nicht bald ermöglichen kann.

(Inga Jung, Januar 2023)

Podcast-Tipps

Ich wünsche euch allen ein frohes neues Jahr 2023!

Mit dem neuen Jahr möchte ich direkt auch mal eine neue Rubrik hier im Blog eröffnen. Bisher habe ich mich auf Buch-Tipps beschränkt, aber ein neueres und ganz phantastisches Medium darf nicht unerwähnt bleiben: die Podcasts.

Ich war bis vor etwa zwei Jahren gar nicht auf die Idee gekommen nachzuschauen, ob mein Musik-Streaming-Anbieter vielleicht auch Hunde-Podcasts im Repertoire hat. Aber als ich dann einmal gezielt nach einem Podcast gesucht hatte, der mir empfohlen worden war, bin ich fündig geworden. Und zwar richtig.

Podcasts sind wie gemacht für unsere Welt, in der man nie Zeit für irgendetwas hat, weil man sie ganz wunderbar nebenbei, z.B. bei der Hausarbeit oder beim Sport hören kann. Man ist also nicht untätig und bildet sich gleichzeitig weiter – oder lauscht einfach einem interessanten Gespräch. Perfekt!

Damit ihr wisst, welche Podcasts sich so richtig lohnen, habe ich euch mal meine Top 5 aufgelistet. Diese Liste wird bestimmt noch ergänzt, wenn ich weitere Entdeckungen gemacht habe. Meine aktuellen Highlights sind aber diese hier:

1. „Dog it right – Der Podcast für Hundemenschen“ Mein absoluter Favorit ist der Podcast von Uli Seumel und ihren Co-Trainerinnen der Hundeschule Dog it right. Er begann zunächst als Podcast zum Thema Hundebegegnungen, entwickelte sich dann aber rasant weiter und umfasst inzwischen so gut wie alle Themenbereiche, für die man sich als Mensch mit Hund interessieren könnte. Dabei ist es nie langweilig, sondern Uli und ihre Kolleginnen machen die Podcast-Folgen mit viel Humor und Witz immer wieder zu einem Erlebnis. Sie sind sich nicht zu schade, eigene Fehler zuzugeben und über sich selbst zu lachen. Das finde ich unheimlich charmant und liebenswert. Denn nichts ist anstrengender als einen Podcast zu hören, bei dem ständig mit erhobenem Zeigefinger von oben herab gepredigt wird. So etwas wird einem hier garantiert nicht passieren. Spaß ist bei Dog it right immer mit dabei.

2. „Hey-Fiffi.com“ – der Podcast von Sonja Meiburg-Baldioli. Auch bei der lieben Sonja merkt man, dass ihr die Arbeit mit Hunden und Menschen Spaß macht. Hey-Fiffi gibt es nicht nur als Podcast (das übrigens schon seit dem Jahr 2017), sondern Sonja produziert auch zahlreiche Videos, bei denen man eine Menge lernen kann. Ich persönlich höre lieber, weil man dann mehr nebenbei machen kann. Bei Hey-Fiffi kommen ebenfalls alle möglichen Themen zur Sprache, wobei sich Sonja in der Regel ganz ungezwungen mit ihren Gästen zum virtuellen „Küchengespräch“ bei einer Tasse Tee trifft. So finden lustige, spannende, interessante und manchmal auch nachdenklich stimmende Unterhaltungen statt. Und manchmal lernt man ganz überraschend durch einen kleinen Nebensatz noch etwas Neues oder entdeckt seine Faszination für ein Thema, das zunächst gar nicht so interessant zu sein schien. Ich freue mich über jede neue Folge und liebe Sonjas ungezwungene Art.

3. „Dog-Geeks Hundegesabbel“ mit Sylvia Schultze und Gerd Schreiber. Meist sind es nur Sylvia und Gerd, die hier über unser aller Lieblingsthema sabbeln. Manchmal sind aber auch spannende Gäste eingeladen wie z.B. Dr. Ute Blaschke-Berthold, Dagmar Spillner oder Sophie Strodtbeck. Wer Sylvia und Gerd zuhört, sollte Humor und Sinn für Sarkasmus mitbringen und nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Sie nehmen sich selbst nicht so ernst und erzählen lustige und kurzweilige Geschichten aus ihrem Alltag.  

4. „Oliver“ von Anja Püster. Diesen Podcast habe ich nur gefunden, weil ich nach den Namen einiger Gesprächspartner von Anja gesucht habe. Hätte ich nur den Titel gesehen, wäre ich vermutlich nie auf die Idee gekommen innezuhalten und mir die genaueren Inhalte anzuschauen. Aber es lohnt sich. Anja hat sich einen lockeren Mix ausgedacht, der durchaus reizvoll ist. In manchen Folgen geht es nur darum, wie man bestimmte Trainingsinhalte aufbaut und festigt, zum Beispiel den doppelten Rückruf oder Click für Blick. Natürlich positiv, bedürfnisorientiert und fair. Und in anderen Folgen, die Anja als Hunde-Plauderei oder Rasse-Plauderei betitelt, geht es um verschiedene Fragestellungen zum Leben mit Hund, um Erlebnisse und Erfahrungen und auch um die besonderen Eigenschaften mancher Hunderassen. Anjas Gäste sind dabei für mich wirklich etwas Besonderes, denn es sind jedes Mal aufs Neue tolle Leute dabei, die mit spannenden Themen und Einblicken begeistern. 

5. „Tiertraining.TV Podcast“ von und mit Pia Gröning. Auch Pia ist schon seit 2017 dabei, diesen tollen Podcast zu machen – mal alleine und mal mit unterschiedlichen Gästen. Tolle Trainer/innen wie Dagmar Spillner, Gerrit Stephan, Katrien Lismont, Maria Hense, Manuela Zaitz oder Aurea Verebes waren schon dabei. Es geht um Training (natürlich auch Pias besondere Steckenpferde Antijagdtraining und Ressourcenverteidigung), Gesundheit und viele verschiedene Aspekte des Lebens mit Hund. Leider hatte Pia in letzter Zeit eine längere Pause eingelegt, sodass ich ihren Podcast schon fast aus dem Blick verloren hatte. Im September und Oktober 2022 kamen dann aber doch wieder ein paar neue Folgen dazu und ich hoffe sehr, dass es auch in diesem Jahr weitergeht.

Wenn ihr ein Abo bei einem der großen Streaming-Anbieter habt, dann schaut doch mal, ob ihr die Podcasts dort findet. Ansonsten kann man sie aber auch im Netz über die Suchmaschine finden.

Ich wünsche euch ganz viel Spaß beim Hören und einen super Start ins neue Jahr!

(Inga Jung, Januar 2023)

Angst kann man sich nicht einfach abgewöhnen

Unser kleiner Marty hat sich zu einem lustigen jungen Hund entwickelt, der die meiste Zeit fröhlich und ausgeglichen ist. Er liebt Spaziergänge über alles, ist neugierig und offen, erkundet fremde Gegenstände und schnuppert gespannt den Wildspuren hinterher. Er legt für sein Leben gerne kurze Sprints ein, ist übermütig und lebensfroh.

Aber er hat immer noch große Angst vor fremden Menschen. Vor allem vor Männern. Vor Männern, die ein bestimmtes Aussehen haben. Vor fremden Menschen, die Interesse an ihm zeigen und ihn ansprechen. Und ganz besonders vor Besuchern hier in seinem sicheren Zuhause.

Unser Haus ist Martys Wohlfühlort, sein Rückzugsort. Hier kann er schlafen und sich entspannen. Hier kann er sich rekeln und sich den Bauch kraulen lassen. Wenn an diesen sicheren Ort plötzlich ein Besucher kommt, gerät Martys Welt ins Ungleichgewicht. Das Konzept „Besuch“ ist einem Hund wie Marty fremd. Er hat den Menschen schließlich nicht eingeladen, das waren wir. Wir haben einfach so beschlossen, dass der unser Haus betreten darf, und Marty kann nichts dagegen tun. Er ist dem völlig ausgeliefert.

Für einen Hund, der Angst vor Menschen hat, fühlt sich Besuch ähnlich an, wie es sich für uns anfühlt, wenn auf einmal ein Einbrecher mit gezogenem Messer im Raum steht. Der Hund fühlt sich bedroht, ausgeliefert, machtlos, in die Ecke gedrängt. Das Haus, das zuvor sein sicherer Rückzugsort war, wird auf einmal zur Falle, aus der es kein Entkommen gibt. Die Angst übernimmt die Kontrolle. Es ist kein Wunder, dass es in so einer Situation immer mal wieder zu Beißunfällen kommt.

Nun haben wir einen Kumpel, der uns seit einiger Zeit fast wöchentlich besucht. Wenn Marty nur seine Stimme hört, flippt er schon aus, weil er genau weiß, dass der bei uns ins Haus kommt. Und das ist für Marty der absolute Horror.

Um ihm den Stress möglichst zu nehmen, bleibt Marty während der Zeit, in der der Besuch bei uns ist, in meinem Arbeitszimmer. Dort hält er sich sehr gern auf. Er hat da sein Hundebett und einen Wassernapf, ein Kindergittter sorgt für Sicherheit, zusätzlich kann man natürlich auch die Tür schließen, und das Arbeitszimmer liegt in einer „Sackgasse“ unseres Flures, so dass dort niemand vorbeigeht. So kann Marty relativ ruhig und vor allem sicher abwarten, bis der Besuch wieder weg ist. Und wenn ich an dem Tag arbeiten muss, bin ich auch die ganze Zeit bei ihm. Das ist dann natürlich optimal für ihn.

Neulich machte unser Kumpel, dem es natürlich leidtut, dass Marty immer so einen Stress mit seinem Besuch hat, einen Vorschlag. Er fragte, ob Marty schon an einen Maulkorb gewöhnt sei. Denn dann könnte ich Marty doch einfach den Maulkorb aufsetzen und ihn im Haus laufen lassen. Er hatte nämlich, bevor wir das Kindergitter eingebaut hatten, schon die Erfahrung gemacht, dass Marty Scheinangriffe gegen ihn gestartet hatte, wenn er sich in der Nähe des Arbeitszimmers bewegte. Gebissen werden wollte er auf keinen Fall, aber mit dem Maulkorb war die Gefahr aus seiner Sicht gebannt und somit alles in Ordnung. Und er dachte, dann werde sich Marty schon an seine Anwesenheit gewöhnen und merken, dass ihm nichts getan wird.

Ich lachte, weil ich das für einen Witz hielt. Doch an seiner Reaktion merkte ich, dass er es durchaus ernst gemeint hatte, und das brachte mich zum Nachdenken, ob nicht ein Blog-Beitrag zu dem Thema angebracht wäre. Besagter Kumpel hat nämlich auch schon sein ganzes Leben lang Hunde und ist kein Neuling auf dem Gebiet. Dass er sich nicht vorstellen konnte, dass so ein Vorschlag im Grunde eine Anleitung zum Thema „Wie zerstöre ich möglichst schnell das Vertrauen meines Hundes“ ist, machte mich nachdenklich.

Warum bin ich dieser Meinung? Nun, ganz einfach. Die Zähne sind die einzige Waffe, die Marty gegen den Angstauslöser hat. Erinnern wir uns nur einmal an das Bild des Einbrechers, der mit gezogenem Messer vor uns steht. Haben wir selbst eine Waffe (und sei es nur die Bratpfanne), dann fühlen wir uns nicht ganz wehrlos. Wir haben vielleicht noch die Möglichkeit, den Eindringling mit viel Gebrüll aus dem Haus zu jagen. Sind hingegen unsere Hände gefesselt, dann ist das eine ganz andere Situation. Wir haben keine Möglichkeit mehr, dem Einbrecher irgendetwas entgegenzusetzen. Unsere Angst steigert sich ins Unermessliche.

Ich würde also, diesem Vorschlag folgend, Marty seine einzige Möglichkeit der Verteidigung nehmen. Das allein wäre vielleicht noch nicht dramatisch, wenn ich ihm trotzdem weiter beistehen würde. Aber das tue ich nicht. Ich setze ihn der bedrohlichen Situation aus und sage, so, jetzt sieh zu, wie du klarkommst. Arrangiere dich mit der Situation, eine andere Möglichkeit hast du nicht. Dein Rückzugsraum bietet dir keinen Schutz mehr, alle Türen im Haus sind offen, und der Besucher bewegt sich frei im Haus. Du kannst nichts dagegen tun, und weglaufen kannst du auch nicht. Und ich helfe dir nicht.

Was glaubt ihr wohl, was passieren wird? Wird Marty durch so eine Maßnahme seine Angst verlieren? Wird er merken, dass ihm nichts passiert, und sich an den Besucher gewöhnen?

Viel wahrscheinlicher ist doch, dass sich seine Angst ins Unermessliche steigert. Entweder wird er diesen Menschen, der ihm jetzt so bedrohlich erscheint, sein Leben lang als höchst gefährlich einstufen und bei der ersten Gelegenheit doch wieder angreifen. Oder er wird in die erlernte Hilflosigkeit fallen und sich seinem Schicksal ergeben, weil er weiß, dass es aus der Situation kein Entkommen gibt. Aber die Angst wird so oder so bleiben. Vor allem bei einem Hund, der so sensibel ist wie Marty und der ganz offensichtlich in seiner Jugendzeit traumatische Erlebnisse mit Männern hatte.

Aber soll Marty jetzt sein Leben lang im Arbeitszimmer bleiben, wenn Besuch da ist?  – Nein, das ist natürlich nicht gesagt.

Das Problem ist, dass die meisten Menschen einfach keine Geduld haben. Sie wollen Erfolge, und sie wollen sie schnell. Aber das Verändern von Gefühlen ist nun mal etwas, das nicht von heute auf morgen passiert. Das braucht Zeit und ein ganz langsames, schrittweises Vorgehen. Traumatisierte Menschen sind in der Regel viele Jahre lang in Therapie und brauchen sehr, sehr lang, bis sie sich den einschneidenden Erfahrungen in ihrer Vergangenheit überhaupt stellen können. Und ein traumatisierter Hund, der noch viel weniger zur Selbstreflexion fähig ist als ein Mensch, der soll das von heute auf morgen können? Ist das nicht ein bisschen viel verlangt?

Ich treffe häufig auf dem Spaziergang Männer, die Marty niedlich finden und ihn zu sich locken wollen. Wenn ich dann sage, dass er nicht zu ihnen gehen wird, weil er Angst hat, scheint das unerklärlicherweise bei vielen einen plötzlichen Ehrgeiz zu wecken. Da kommen dann Sprüche wie: „Ha, das ist eine Sache von fünf Minuten. Ich bring dann mal Futter mit, und dann kommt der sofort.“ Ja, sicher. Träum weiter.

Was ist das für eine Profilierungssucht, die viele Männer haben? Gibt ihnen das einen Kick, wenn sie von sich behaupten, sie seien die Hundeflüsterer, die den ängstlichen Hosenschisser aus Rumänien bekehrt haben? Das sind wohlgemerkt wildfremde Leute, die ich vorher noch nie gesehen hatte und die auch gar nichts mit uns zu tun haben. Ich finde so ein Verhalten absolut anmaßend. Schließlich kennen sie weder mich noch Marty und wissen überhaupt nichts über uns.

Genausowenig wie diese besserwisserische Frau, die vor einem Jahr, als Marty noch Angst vor einer recht belebten Straßenecke im Nachbardorf hatte (die übrigens schon wenige Wochen später überhaupt kein Problem mehr darstellte), im Stechschritt auf uns zugestampft kam und mir in bestimmendem Tonfall erklärte, ich würde die Angst meines Hundes verstärken, wenn ich ihn streichele. Voller Überzeugung warf sie mir all diese alten, längst von der Wissenschaft widerlegten Kamellen an den Kopf und dachte offenbar ernsthaft, sie würde damit ein gutes Werk tun. Was sie dagegen tat, war, Marty durch ihr forsches Auftreten zu verunsichern, mich zu verärgern und uns das Training für diesen Tag komplett zu zerstören. Denn ich war nach der Begegnung so sauer, dass ich unmöglich noch weiter Ruhe und Sicherheit ausstrahlen konnte.

Warum ich das jetzt auch alles erwähne? Ich möchte mit diesem Blog-Beitrag darauf aufmerksam machen, wie leicht es ist, sich von Außenstehenden dazu überreden zu lassen, ganz gewaltige Fehler zu machen. Ich bin froh, dass ich meine Ausbildung habe, dass ich dank meines ganzen Vorwissens weiß, was ich tue. Dass ich weiß, was meinem Hund hilft und was ihm schadet. Dass ich weiß, wie ich ihn vor der Welt beschütze und wie ich sein Vertrauen in mich stärke.

Aber nicht jeder Mensch, der einen ängstlichen Hund an seiner Seite hat, hat diesen Erfahrungshintergrund und das theoretische Wissen. Dann lässt man sich schnell verunsichern und hört auf die Tipps von Menschen, die sich selbst darstellen, als seien sie die absoluten Profis und wüssten genau, wovon sie reden. Statt auf sein Bauchgefühl zu hören, denkt man dann über die vermeintlich stichhaltigen Argumente nach und tut Dinge, die man später bereut.

Ich kann immer nur an jeden appellieren sich zu überlegen, wie es einem selbst in der Situation gehen würde, in der der Hund gerade ist. Die Perspektive des Hundes einzunehmen (auch im wahrsten Sinne des Wortes, denn die meisten Hunde sind viel näher am Boden als wir, und von dort sieht die Welt ganz anders aus). Stellt euch vor, ihr selbst hättet panische Angst vor dieser einen Sache, vor der euer Hund Angst hat. Was würde euch in der Situation helfen? Und was nicht? Was lässt die Angst weniger werden und was macht sie größer?

Empathie und Bauchgefühl sind so wichtig für unser Zusammenleben mit dem Hund. Wenn euch irgendwer zum Beispiel sagt, ihr sollt die Angst eures Hundes ignorieren, dann fragt euch: Wenn ich mein Hund wäre, würde mir das dann helfen? Oder würde ich mich dadurch eher alleingelassen fühlen?

Oft ist es ganz einfach, die richtigen Antworten zu finden, wenn man sich nur in die Gefühlswelt des Hundes hineinversetzt und überlegt, was ihm helfen würde, eine Situation positiver zu erleben. Denn so unterschiedlich ist das Gefühlsleben von Hund und Mensch gar nicht. Deswegen lieben wir einander schließlich so sehr.

Übrigens hat Marty neulich einen großen Fortschritt gemacht, davon möchte ich abschließend noch erzählen. Ich habe vor ein paar Tagen durch Zufall auf einem Waldparkplatz in unserer Nähe eine befreundete Hundetrainerin getroffen. Wir hatten unsere Hunde, bis auf Marty, schon in die Autos geladen, standen mit einigen Metern Abstand zueinander und unterhielten uns. Nach einer Weile schlenderte Marty wie zufällig vorsichtig im Bogen auf sie zu und schaute sie aufmerksam an. Da ich wusste, dass von dieser Person ganz bestimmt keine unbedachte Reaktion kommt, die Marty verunsichern würde, ließ ich ihn gewähren.

Zum Hintergrund müsst ihr wissen, dass ich von Anfang an hin und wieder mit Marty und einer Freundin mit ihrem Hund zusammen spazieren gegangen bin. Marty kennt es, dass besagte Freundin immer bessere Leckerlis hat als ich, und dass sie diese auch großzügig verteilt. Und offenbar hat er sich überlegt, dass diese neue Frau vielleicht auch gute Leckerlis hat. So hat er sich ein Herz gefasst und sich ihr ganz allein angenähert. Ohne dass ich mitging. Das war so großartig. Und da es sich um eine Hundetrainerin handelte, die mit positiver Verstärkung arbeitet, hatte er das unfassbare Glück, dass sie tatsächlich tolle Leckerlis in der Tasche hatte und Marty groß abstauben konnte. Wie wunderbar!

Nach diesem tollen Erfolgserlebnis mit einer für ihn wildfremden Frau kam Marty wieder glücklich auf mich zugehopst und wollte erst mal kuscheln. Ich war so stolz auf meinen Kleinen.

Ich denke, mit meiner Freundin kann ich nach einem gemeinsamen Spaziergang auch schon mit dem Besuchertraining anfangen. Wenn sie mit in unser Haus kommt, wird er sicher wenig Unsicherheit zeigen. Und darauf aufbauend könnten wir dann mit weiteren Frauen üben. Dumm nur, dass sich dafür immer jemand die Zeit nehmen und zu uns rausfahren muss. Mal sehen, wie oft sich solche Gelegenheiten bieten. Wenn wir das ab und an wiederholen, werden Frauen sicher bald kein Problem mehr sein. Bei Männern bin ich noch nicht so optimistisch. Aber wir haben ja noch viele gemeinsame Jahre Zeit. Nur Geduld, das wird schon.

Inga Jung (Juni 2022)

Kleiner Hund gegen den Rest der Welt

Unser kleiner Marty hat seit ein paar Monaten eine neue Strategie entdeckt: das aktive Vertreiben seiner Angstauslöser.

Und wer kennt das nicht, gerade jetzt, wo wieder ein Krieg in Europa tobt und wir uns alle Sorgen um die Zukunft machen: Das Schlimmste, was uns im Angesicht eines Angstauslösers passieren kann, ist Hilflosigkeit. Wir möchten etwas tun, wir möchten aktiv werden, wir möchten den Angstauslöser vertreiben, damit er weggeht und wir uns wieder sicher fühlen können.

Genau das tut Marty, wie so viele andere Hunde auch: Ein Auto kommt angefahren, es fährt am Gartenzaun vorbei, Marty stürzt bellend an den Zaun, und das Auto entfernt sich wieder. Marty hat es aktiv vertrieben und fühlt sich groß und stark. Ziel erreicht. Ein absolut selbstbelohnendes Verhalten.

Dabei ist es interessant zu sehen, wer angebellt wird. Es sind nur Autos und Transporter, aus denen (vom Typ her) schon mal Menschen ausgestiegen sind und bei uns geklingelt haben. Also Post- und Paketboten, Handwerker oder Besucher. Das gelbe Postauto ist dabei Martys ganz persönlicher Erzfeind, weil das wirklich jeden Tag auftaucht und bei ihm immer wieder die Angst auslöst, dass der böse Postbote womöglich ins Haus kommt. Auf dieses Auto geht er sogar wie ein Irrer los, wenn es uns auf dem Spaziergang begegnet, was er bei anderen Autos nicht tut. Fremde Menschen, die möglicherweise in sein sicheres Zuhause kommen könnten, sind Martys absoluter Alptraum.

Es werden keine Trecker und keine LKW angebellt. Menschen in Treckern und LKW sind ungefährlich, die haben uns noch nie besucht.

Es werden auch keine Spaziergänger mit Hund angebellt, es sei denn, die Menschen gehen sehr nahe an den Zaun, schauen Marty direkt an oder sprechen ihn an. Gegen Hunde hat er nichts. Selbst wenn die ihn anbellen, schaut er nur und bellt nicht zurück. Und er ist auch überhaupt nicht territorial veranlagt, es geht ihm nicht um den Schutz von Haus und Garten, es geht ihm nur um Selbstschutz.

Es sind die Menschen, die er auf Abstand halten möchte. Menschen findet er einfach gruselig. Männer noch mehr als Frauen.

Und ich kann es ihm nicht verdenken, er hat schließlich Recht. Das einzige Tier auf diesem Planeten, das absichtlich grausam ist, ist der Mensch. In Bezug auf dieses Verhalten hat unsere Spezies ein absolutes Monopol. Der aktuelle Krieg in Osteuropa bestätigt das gerade mal wieder auf besonders deutliche Weise. Also was soll ich Marty erzählen? Dass alle Menschen nett sind? Sind sie nicht. Seine Ängste sind nicht unbegründet.

Natürlich finde ich die Kläfferei nicht gut, zumal sich Marty dabei auch im Haus manchmal richtig in Stress kläfft, immer mehr auf Geräusche von draußen lauscht und aus dem Fenster schauend regelrecht nach auffälligen Bewegungen sucht. Vor allem wenn es ihm körperlich nicht so gut geht, er Bauchweh hat oder irgendwelche anderen Befindlichkeiten, reagiert er immer sensibler. Dann muss ich manchmal alle Fenster schließen, Rollos runterziehen und Hintergrundmusik anmachen, um ihn von den Reizen, die ihn gerade so überfordern, abzuschirmen. Erst dann kommt er wieder zur Ruhe.

Was hilft, ist Sonne. Wenn die Hunde hier den ganzen Vormittag entspannt in der Sonne gelegen haben, ist Martys Bedürfnis, sich über vorbeifahrende Autos aufzuregen, sehr gering. Er ist dann so ausgeglichen, dass es schon starker Reize wie Stimmen direkt vor der Tür oder das Klappern des Briefkastens bedarf, um ihn aus der Reserve zu locken.

Ich tue viel, damit die Hunde – vor allem Marty – ausreichend Schlaf und Entspannung bekommen. Das ist enorm wichtig für das innere Gleichgewicht. Außerdem haben für Marty zumindest bei schönem Wetter seine Spaziergänge mit viel Zeit zum Schnüffeln und Beobachten einen hohen Stellenwert. Bei Regenwetter haben beide Hunde oft den Spaziergang verweigert, daher war die Kläfferei im Februar, als es wochenlang nur regnete, auch besonders schlimm, während sie sich jetzt im März, nachdem nun schon seit drei Wochen fast durchgehend die Sonne scheint, stark reduziert hat. Solche Einflüsse darf man einfach nicht unterschätzen, das Allgemeinbefinden der betroffenen Hunde ist bei solchen Problemen essenziell.

Wie trainiere ich nun mit Marty und wie bringe ich ihm ein passendes Alternativverhalten bei?

Tja, das ist nicht so einfach, weil er überhaupt nicht über Futter oder Spiel zu motivieren ist. Selbst wenn er ganz entspannt ist und keine Angst hat, interessieren ihn Futter und Spielzeug wenig. Das Einzige, was bei ihm hilft, ist Körperkontakt, ruhiges Ausstreichen über den Rücken und Ansprache mit ruhiger Stimme. So kann ich ihn hier im Haus immer sehr schnell wieder erden. Und aus dem Garten kommt er auf Rückruf zuverlässig wieder zurück ins Haus, auch wenn er gerade am Bellen ist. Das sind momentan die einzigen Ansätze, die wirklich helfen. Ich muss nur schnell sein, denn je länger er bellt, desto mehr übt er natürlich dieses Verhalten als Strategie ein. Da muss ich noch an mir arbeiten, in solchen Momentan wirklich alles stehen und liegen zu lassen, egal was ich gerade mache.

Am besten wäre es natürlich, vorausschauend bei jedem potenziell aufregenden Geräusch zu Marty zu gehen und ihn zu streicheln, damit er gar nicht erst anfängt zu bellen. Aber das klappt im Alltag natürlich nur selten, weil ich die Auslöser meist nicht vorhersehen kann.

Sichere Rückzugsorte, an denen Marty sich wohl fühlt, haben wir mehrere im Haus, aber er ist noch zu unsicher, um wirklich darauf vertrauen zu können, dass ihm dort auf keinen Fall etwas passieren wird, falls fremde Menschen hier hereinkommen sollten.

Wenn tatsächlich mal jemand zu Besuch kommt, was aktuell schon allein wegen der Pandemie sehr selten passiert, dann hat Marty ein festes Zimmer mit seinem Hundebett und allem, was er braucht, zu dem Besucher keinen Zutritt haben. Und auch sonst setze ich im Alltag natürlich viel Management ein. Gehen wir zum Beispiel an fremden Menschen vorbei, gehe ich zwischen Marty und den Menschen, damit er so viel Abstand bekommt wie er braucht. Er wird auf keinen Fall zur Kontaktaufnahme gezwungen und darf für ihn unheimliche Situationen in Ruhe mit ausreichend Abstand beobachten.

Das alles kenne ich schon von meinen ersten Jahren mit Luzi, die anfangs auch große Probleme mit fremden Menschen hatte. Das ist nicht wirklich neu für mich. Nur hatte ich damals den Luxus, dass Luzi in diesen Situationen Futter annehmen konnte und ich dadurch schneller eine positive Verknüpfung herstellen und gleichzeitig gutes Verhalten belohnen konnte.  

Mein Traum wäre, dass Marty vielleicht irgendwann auch im Angesicht fremder Menschen ein paar Käsewürfel (das einzige Leckerli, das er wirklich gern mag) annehmen kann und das dann auch als Belohnung empfindet. Das würde uns deutlich mehr Möglichkeiten im Training eröffnen. Aber das wird wohl noch eine ganze Weile dauern.

(Inga Jung, März 2022)

Der Hausfrieden ist wieder hergestellt

Seit Anfang November hat sich die Lage beruhigt. Marty hat Toni inzwischen in den unterschiedlichsten Situationen beobachtet und festgestellt, dass der manchmal aus sehr merkwürdigen und für Martys Verständnis einfach nicht nachvollziehbaren Gründen bellt. Und dass Herrchen in dem Moment wohl doch gar keine Bedrohung darstellt.

Außerdem haben wir natürlich mit gutem Management und vielen kleinen Käsewürfeln aktiv dazu beigetragen, dass sich Martys Gefühlslage angesichts Tonis Gebell wieder beruhigt hat. Mein Mann kann sich jetzt wieder frei im Haus bewegen und muss nicht mehr befürchten, dass Marty plötzlich knurrend auf ihn zugestürzt kommt. Marty geht ihm wieder respektvoll aus dem Weg, so wie er es schon vor Tonis Einzug gemacht hat, aber wirkliche Angst hat er vor Herrchen nicht mehr. Somit ist der Hausfrieden zunächst wieder hergestellt.

Wenn Toni, der ein absolutes Papa-Kind ist, spielerisch von meinem Mann durchgeknuddelt wird, steht Marty dabei und guckt skeptisch zu. Was er davon halten soll, weiß er ganz offensichtlich noch nicht. Aber Toni macht es eindeutig Spaß, also scheint es wohl ungefährlich zu sein.

Marty hat eine detaillierte Beobachtungsgabe und kommuniziert selbst sehr fein. Toni dagegen ist kommunikativ eher ein Grobmotoriker. Marty setzt seinen gesamten Körper ein, um seine Gefühle auszudrücken. Toni stellt sich einfach hin und bellt, wenn er irgendwas will. Das macht er mit Menschen und mit Hunden so. Dieses Verhalten kommt nicht überall gut an und erzeugt zwischen den beiden (und auch zwischen Toni und manchen Hunden, denen wir draußen begegnen) noch das eine oder andere Missverständnis. Toni stört das nicht, er ist da ganz gelassen. Marty verunsichert es manchmal aber doch sehr.

Zum Beispiel haben die beiden ein paar Mal versucht, miteinander zu spielen. Aber wenn Toni hinter Marty herrennt, bellt er dabei immer. Typisch Terrier. Marty deutet das allerdings nicht als Bestandteil des Spiels, sondern bekommt fürchterliche Angst und verfällt in seine altbekannte Schockstarre. Toni steht dann vor ihm und bellt weiter, damit Marty wieder losrennt. Was Marty allerdings erst so richtig in Panik versetzt. Diese Situationen muss ich immer auflösen, indem ich ein paar Leckerlis streue und die Hunde auf andere Gedanken bringe, denn Marty ist in seiner Panik nicht in der Lage, das selbst zu lösen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass er in dem rumänischen Tierheim, in dem er aufgewachsen ist, oft von anderen Hunden gemobbt wurde, und dass ihn solche Situationen daran erinnern.

Ich hoffe sehr, dass im Laufe der Zeit das Vertrauen zwischen den beiden so sehr wächst, dass Marty auch diese Situation ruhig und ohne Angst betrachten und für sich auflösen kann. Denn an sich ist er sehr schlau und kann Situationen unheimlich gut analysieren. Aber seine Ängste blockieren ihn so sehr, dass er nicht mehr handlungsfähig ist, wenn die Unsicherheit mal wieder die Oberhand gewinnt.

Es ist auf jeden Fall spannend zu sehen, wie sowohl Marty, als auch Toni sich entwickeln und jeden Tag lernen – voneinander, von mir und aus den täglichen Alltagssituationen. Und abgesehen von diesen kleinen Bell-Missverständnissen, die auch schon seltener werden, kommen Toni und Marty ganz wunderbar miteinander aus und ergänzen sich optimal.

Toni darf inzwischen auf ausgewählten Strecken, die ich gut überblicken kann, schon frei laufen, und er macht das ganz wunderbar. Von sich aus schaut er sich immer wieder zu mir um, und auch der Rückruf klappt sehr gut. Natürlich wird er dafür auch immer fürstlich belohnt und gelobt.

Bei Marty kommen leider auch auf dem Spaziergang immer mal wieder durch verschiedene Auslöser so starke Unsicherheiten hoch, dass ich auf die Leine noch nicht verzichten kann. Denn wenn er erst einmal weggelaufen ist, kann ihn niemand (außer mir vielleicht) wieder einfangen. Er würde nie im Leben auf die Idee kommen, zu Menschen zu laufen und sich Hilfe zu suchen, so wie Toni das ganz sicher machen würde. Menschen sind für Marty immer noch das Gruseligste überhaupt.

Also gehen wir auf Nummer sicher. Und auch an der langen Leine genießt Marty unsere Spaziergänge sehr. Da gibt es immer etwas Neues zu entdecken, und man kann stehen bleiben und schnüffeln und dann ganz plötzlich losrennen und ein paar Meter sprinten und Haken schlagen … Es ist wunderbar, wie er draußen aufblüht und die Welt jeden Tag aufs Neue erkundet.

Und er hat ja noch sein ganzes Leben vor sich. Marty hat Ende November seinen zweiten Geburtstag gefeiert und hat noch so viel Zeit, um nach und nach seine Ängste abzubauen. Ich bin auf jeden Fall sehr froh, dass es mit meinem Mann jetzt wieder entspannter ist. Wer weiß, vielleicht ist Marty irgendwann, in einigen Monaten, auch bereit, sich von ihm streicheln zu lassen. Das wird ganz allein Martys Entscheidung sein. Lassen wir es einfach auf uns zukommen.

(Inga Jung, Dezember 2021)

„Warum lobst du ihn jetzt auch noch dafür, dass er mich angeknurrt hat?“

Ich habe ja bereits erzählt, dass im Mai der kleine Marty aus Rumänien bei uns eingezogen ist. Marty hat inzwischen eine großartige Entwicklung durchgemacht. Er läuft auf Spaziergängen freudig voraus, spielt und ist albern, kuschelt mit mir auf dem Sofa und hat sich problemlos in meinen Alltag integriert. Er hat auch glücklicherweise keine Reisekrankheiten aus seinem Geburtsland mitgebracht, beide Tests waren negativ. So steht einem langen, glücklichen Hundeleben nun nichts mehr im Wege. Naja, fast nichts, denn Marty hat leider immer noch ein Problem: meinen Mann.

Ich bin sonst nicht so, dass ich bei Hunden aus dem Ausland sofort ein Trauma vermute, aber bei Marty gibt es zahlreiche deutliche Hinweise darauf, dass er während der fast eineinhalb Jahre in dem rumänischen Tierheim mit Männern vermutlich auch schmerzhafte, aber auf jeden Fall enorm furchteinflößende Erfahrungen gemacht hat. Und so ist auch seine Beziehung zu meinem Mann von tiefem Misstrauen geprägt. Auch noch nach inzwischen fast sechs Monaten bei uns. Er ist zwar inzwischen so entspannt, dass er auf die Couch springt, wenn mein Mann dort sitzt – das ist durchaus ein großer Fortschritt –, aber er bleibt dann mit viel Abstand in seiner Ecke. Anfassen lässt er sich von meinem Mann nicht und wenn der sich in seine Richtung bewegt, bekommt er Angst und läuft weg.

Nun haben wir vor zwei Wochen den Toni dazu adoptiert, einen kleinen Spanier mit einem sonnigen Gemüt. Toni ist der lebende Beweis dafür, dass Hunde aus dem Tierschutz ganz und gar nicht immer schwierig sind. Toni liebt alle Menschen und ist auch allen anderen Hunden gegenüber aufgeschlossen. Wenn er nicht gerade auf der Couch auf einem Haufen Decken und Kissen liegt und schläft, dann ist er am Dauerwedeln, immer mittendrin im Geschehen und für jeden Spaß zu haben. Da er sehr verfressen ist, tut er alles für ein paar Leckerlis und ist dadurch absolut unkompliziert zu lenken.

Marty und Toni verstehen sich wunderbar. Es gibt nur eine Sache, bei der es noch hakt: Mein Mann spielt gern mit Toni, weil er das mit Marty ja nicht machen kann. Und Toni bellt häufig als Aufforderung, im Spiel oder wenn er etwas haben möchte. Marty dagegen sieht nur, dass Toni bellt, während der „böse Mann“ ihm sehr nahe ist. Da gehen bei Marty alle Alarmglocken an. Achtung, der Mann bedroht Toni, der macht gerade etwas Schlimmes. Wahrscheinlich tut er mir auch gleich etwas an, ich hab’s doch gewusst … Und Marty stürzt sich knurrend mit aufgestellten Nackenhaaren auf meinen Mann.

Das Einzige, was ich in dieser Situation tun kann und darf, ist, Marty aus dieser negativen Emotionslage herauszuholen, aufzufangen und zu beruhigen. Ich streichele ihn und rede ruhig mit ihm, um ihn wieder ansprechbar zu machen. Und ich merke, wie sehr er das braucht. Er versteckt dann seinen Kopf in meiner Armbeuge und wimmert richtig vor sich hin.

Hätte ich geschimpft, wäre Martys Angst ins Unermessliche gestiegen, denn dann hätte ich als seine einzige Vertrauensperson mich auch noch gegen ihn gewendet. Kleiner Hund ganz allein auf der Welt, oh mein Gott … Wer weiß, vielleicht hätte er dann noch heftiger reagiert, oder er wäre in sich zusammengebrochen. Aber ich hätte die Lage auf gar keinen Fall verbessert.

Mein Mann versteht das nicht. Er schaut sich das an, schüttelt mit dem Kopf und meint: „Warum lobst du ihn jetzt auch noch dafür, dass er mich angeknurrt hat?“ Dabei muss man doch überlegen, was die Ursache für Martys Verhalten war. Er verhält sich nicht so, weil er schlicht aggressiv ist oder Ressourcen verteidigen will, sondern weil er Angst hat. Und Angst kann man nicht loben, das geht schlichtweg nicht. Wenn ich Angst habe und jemand tut mir etwas Gutes (das ich auch als etwas Gutes empfinde), dann wird meine Angst nicht stärker, sondern geringer werden, weil ich mich wohler fühle. Es ist also kein Lob, sondern einfach eine Beruhigung Martys heftiger Emotionen. Ein seelisches Auffangen.

Natürlich fände ich es auch schöner, wenn Marty meinen Mann endlich nicht mehr so bedrohlich finden würde. Aber das lässt sich nicht so einfach wegwünschen. Und die als bedrohlich empfundene Person muss sich auch Mühe geben, möglichst keine negativen Emotionen auszustrahlen. Das wiederum ist noch viel schwieriger.

Früher war ich jahrelang von Menschen um Hilfe in solchen oder anderen Situationen mit ihren Hunden gebeten worden, und sie haben versucht, meine Tipps umzusetzen. Wenn ich aber meinem Mann rate, sein Verhalten in der einen oder anderen Situation anzupassen, ist er beleidigt und meint, er wüsste schon, was er tue. Und diese beleidigte, genervte Haltung findet Marty dann wiederum bedrohlich, also sage ich lieber nichts, um es nicht noch schlimmer zu machen. Wie das eben so ist – Szenen einer Ehe.

Momentan versuchen wir möglichst zu vermeiden, dass Toni meinen Mann anbellt und dadurch solche kritischen Situationen entstehen. Das bedeutet, dass wir Toni immer wieder seine geliebten Kongs, auf denen er so gern herumkaut, sie in die Luft wirft und wieder auffängt, wegnehmen müssen. Management als Prävention.

Ich hoffe sehr, dass Marty nach und nach zu vertrauen lernt. Hoffnung gegeben haben mir Freunde, die zwei unsichere Hunde aus dem Ausland aufgenommen haben und meinten, dass beide Hunde ein Jahr gebraucht hätten, bis sie mit dem Mann im Haus einen entspannten Umgang pflegen konnten. Wenn es bei uns auch so lange dauert, dann haben wir ja noch ein paar Monate Zeit. Aber es ist natürlich auch wichtig, dass wir schwierige Situationen möglichst gar nicht erst entstehen lassen bzw. sie schnell entschärfen, wenn sie sich denn nicht vermeiden ließen.

Marty hat in der Zeit, in der er bei uns ist, schon so viel gelernt und so viel Mut bewiesen. Ich bin mir sicher, dass er auch das noch lernen kann. Sofern sich beide Seiten Mühe geben.

(Inga Jung, Oktober 2021)

Unser erster Hund mit Migrationshintergrund zieht ein

Die verrückte kleine Luzi, von der wir immer dachten, sie würde ewig fit bleiben und mindestens 20 Jahre alt werden, hat uns im April 2021 nach schwerer Krankheit leider viel zu früh verlassen. Da standen wir nun, zum ersten Mal seit 17 Jahren ohne Hund im Haus, und fühlten uns leer und nutzlos. Es musste schnell, ganz schnell wieder ein Hund einziehen. Also machte ich mich auf die Suche.

Dabei hatten wir schon oft darüber geredet, was wir uns von unserem nächsten Hund wünschen, und wir hatten bereits sehr genaue Vorstellungen. Nach den vielen Jahren mit Luzi, in denen wir aus Rücksichtnahme auf die Ohren und Nerven unserer Mitmenschen auf Urlaube und Ausflüge verzichtet und viele Spazierwege gemieden haben, weil es da erfahrungsgemäß zu viele frei laufende Dertutnixe gab und wir keine Lust auf ständige Auseinandersetzungen hatten, haben wir uns gesagt: Das war definitiv der letzte Aussie. Es sei denn, wir finden noch einmal ein Exemplar wie unsere Peppi. Aber wer gibt schon so einen Traumhund freiwillig ab? Und bei einem Welpen weiß man ja nie, was daraus wird, da war uns das Risiko zu groß, noch mal so ein durchgeknalltes Nervenbündel zu bekommen.

Es sollte ein bereits erwachsener Hund sein. Kein Welpe und auch kein Junghund, der noch den Zahnwechsel und die Pubertät vor sich hat. Am liebsten mag ich Senioren, aber ich wollte nicht zu wählerisch werden, um nicht ewig suchen zu müssen. Da wir gern auf lange Sicht nicht nur einen Hund haben wollten und uns auch so sehr nach entspannten Hundebegegnungen sehnten, sollte er sozialverträglich mit anderen Hunden sein. Und – ebenfalls im Hinblick auf eventuell noch einziehende weitere Hunde – nicht zu groß, damit die Hunde auch zu mehreren auf dem Spaziergang handelbar bleiben.

Ich klickte mich also zunächst durch die Webseiten der umliegenden Tierheime. Aber wir sind mitten in der Coronazeit, und in den Tierheimen sind freundliche Familienhunde Mangelware. Die Hunde dort hatten alle ihr Päckchen zu tragen. Und ja, ich finde auch, dass auch diese Hunde eine Chance verdient haben. Aber ich war nach fast 13 Jahren Luzi so fertig mit den Nerven, die Energie war einfach nicht mehr da. Ich wollte nur einmal was Einfaches, Freundliches, ohne explodierende Aggressionen und ohne tägliche Kreischanfälle. Ich finde, ich hab mir das auch mal verdient.

Es sollte auf jeden Fall ein Hund aus dem Tierschutz sein, und da in den Tierheimen leider nichts Passendes zu finden war, schaute ich auf den Webseiten der mir bekannten Auslandstierschutzvereine weiter. So kamen wir dann über ein paar Umwege zu unserem kleinen Marty, einem gebürtigen Rumänen. Marty war in einem rumänischen Tierheim aufgewachsen. Beim ersten Eintrag in seinem Impfpass war er neun Wochen alt. Also wurde er vermutlich als Welpe gefunden oder im Tierheim geboren. Genau weiß man das nicht. Bis zu seinem Umzug nach Deutschland Ende März 2021 hatte er nie etwas anderes als die Tierheimumgebung gesehen. Da war er eineinhalb Jahre alt. Er kam in eine norddeutsche Pflegestelle, zusammen mit einer größeren Hundegruppe, in der er das Leben in einem Haus kennen lernte.

Anfang Mai 2021, eine Woche nach Luzis Tod, durfte Marty (zu dem Zeitpunkt ein Jahr und sechs Monate jung) bei uns einziehen. Zu Beginn war es ganz schrecklich für den armen kleinen Kerl. Er war panisch und ließ sich nicht anfassen. Sobald wir nur eine Bewegung in seine Richtung machten, schrie er vor Angst. Er musste daher die ersten Tage mit Geschirr und Hausleine herumlaufen, damit wir das Ende der Leine nehmen und so zumindest ab und zu mit ihm in den Garten gehen konnten. Auch dort war alles ganz furchtbar aufregend und beängstigend für ihn. Er brauchte jedes Mal eine halbe Ewigkeit, bis er entspannt genug war, um sich zu erleichtern.

Aber Marty ist ein Hund, der ganz dringend eine Bezugsperson und Körperkontakt braucht. Und so dauerte es auch nicht lange, bis er Mut fasste. Nach drei Tagen kam er zu mir und ließ sich kraulen. Und kurz darauf konnte ich ihm dann auch endlich das Geschirr und die Leine ausziehen, sodass er sich im Haus freier bewegen konnte. Sicherheitshalber führten wir ihn zunächst noch an der Leine in den Garten, aber nach wenigen Tagen war klar, dass er keinen Ausbruchsversuch starten würde. Im Gegenteil, er war froh, dass da der Zaun war und kein Fremder zu ihm hereinkam.

Marty taute immer weiter auf. Er war meistens an meiner Seite, auch nachts schlief er von jetzt an in der offenen Hundebox neben meinem Bett. Und bald traute er sich auch zu mir aufs Sofa. Es zeigte sich, dass hinter dem verängstigten kleinen Hündchen ein lustiger, verspielter und enorm neugieriger junger Hund steckte, der im Entdeckermodus jeden Tag etwas Neues lernte und immer fröhlicher und selbstbewusster wurde.

Abends spiele ich immer mit meinen Hunden, und das wollte ich auch mit Marty. Bald fing ich mit einfachen Spielen an. Er war zunächst noch sehr skeptisch und furchtsam, aber nach zwei Tagen hatte er verstanden, dass es nur um Spaß ging. Und seitdem ist er aufgeschlossen und neugierig und geht offen auch auf ganz neue Spiele zu. Aktuell ist er gerade dabei, eines unserer Level 3 Spielzeuge zu knacken. Wirklich schlau, der Lütte.

Er ist sehr ruhig und bellt nur selten, und er hat außer Hundespielzeug auch noch nichts angekaut.

Ich habe direkt von Anfang an mit ihm das Alleinbleiben geübt. Zuerst nur ein paar Minuten, dann langsam länger. Inzwischen bleibt er problemlos bis zu drei Stunden ganz brav alleine.

Abgesehen davon, dass er nicht wusste, dass der Couchtisch nicht zum Drüberlaufen gemacht wurde (woher soll er das auch wissen?), hat er sich hier von Anfang an vorbildlich benommen. Ich bin immer noch erstaunt darüber, dass das auf Anhieb so wunderbar klappte, da er ja erst ein paar Wochen zuvor zum ersten Mal ein Haus von innen gesehen hatte.

Spaziergänge liebt er über alles, auch wenn er am Anfang noch sehr vorsichtig war und sich immer neben oder hinter mir hielt. Ich habe ihm immer die Zeit gelassen, die er brauchte. Ihn lange schnüffeln, stehen und schauen lassen, damit er in seinem Tempo langsam Sicherheit findet. Im Laufe der Zeit wurde er immer selbstbewusster – oder aber er bekam immer mehr Vertrauen in meine Fähigkeiten, ihn zu beschützen, das wird vermutlich eher der Grund sein – und läuft inzwischen fröhlich voran, tobt durchs hohe Gras und legt zwischendurch kurze Sprints ein. Spaziergänger, die uns entgegenkommen, waren anfangs ein großes Problem. Marty verfiel in eine Schockstarre und konnte sich nicht bewegen, bis die an uns vorbeigegangen waren. Inzwischen geht er ganz entspannt weiter. Sogar wenn ein Hund dabei ist, der ihn anpöbelt.

Ich kann es immer noch kaum glauben, wie schnell sich das alles entwickelt hat: Es hat alles in allem nur drei Monate gedauert, aus diesem kleinen Nervenbündel einen ganz normalen, fröhlichen jungen Hund zu machen. Alles, was es dafür brauchte, waren Ruhe, Entspannung und Zeit. Und eine Bezugsperson, die ihm vermittelt, dass sie ihn im Zweifelsfall beschützt. Und das sollte doch jeder Hund haben, auch wenn er keine besonderen Ängste hat.

Die einzige Baustelle, die wir noch haben, ist aktuell mein Mann. Marty akzeptiert zwar, dass er da ist, und er kann sich in seiner Gegenwart inzwischen auch einigermaßen entspannen. Aber er lässt sich von meinem Mann noch nicht anfassen. So weit geht das Vertrauen noch nicht. Auch wenn ich eher vorsichtig bin mit solchen Vermutungen, so bin ich mir bei Marty doch sehr sicher, dass er schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht hat. Besonders in speziellen Situationen reagiert er sehr ängstlich. Und insbesondere leicht bekleidete Männer, in kurzen Hosen oder mit nacktem Oberkörper, lassen ihn richtig panisch werden. Jetzt im Sommer kann ich von meinem Mann leider nicht verlangen, niemals eine kurze Hose zu tragen, aber das trägt natürlich dazu bei, dass die beiden sich mit ihrer Annäherung schwer tun. Ich denke aber schon, dass Marty mit seinem fröhlichen, neugierigen Wesen auch diese letzte Hürde noch nehmen wird und bald entdeckt, wie wunderbar man mit Herrchen kuscheln und spielen kann.

Ab dem Herbst werden wir wahrscheinlich langsam nach einem passenden Zweithund Ausschau halten. Ein freundlicher Hundekumpel, der ihm Gesellschaft leistet und ab und zu mit ihm spielt, wäre für Marty sicher eine Bereicherung. Er liebt andere Hunde und hat sein Leben lang in Gruppen gelebt. Er ist so zart und sensibel, dass er es sicherlich auch kennt, gemobbt zu werden. Das wollen wir ihm natürlich keinesfalls antun. Es muss schon gut passen. Aber ich bin mir sicher, wenn wir uns bei der Suche Zeit nehmen, werden wir schon fündig.

Ich bin sehr gespannt darauf, wie unser kleiner Rumäne unser Leben in Zukunft noch bereichern wird. Wir haben es keinen Moment bereut, einem Hund mit Migrationshintergrund ein Zuhause zu geben.

(Inga Jung, August 2021)