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„Du bist zu nett zu deinem Hund“

Wenn ich sehe, dass Menschen ihren Hund scharf zurechtweisen, spreche ich sie darauf an und bekomme dann hin und wieder zu hören, dass Hundetrainer ihnen gesagt haben, sie seien „zu nett“ zu ihrem Hund. Sie versuchen diesen „Makel“ dann zu beseitigen, indem sie besonders unfreundlich und streng mit ihrem Hund umgehen.

Wieder einmal finde ich es unfassbar, was Hundetrainer mit ihren Bemerkungen so alles anrichten können, und mindestens ebenso unglaublich finde ich es, dass Menschen diesen Ratschlägen völlig gedankenlos und ohne Emotionen folgen, anstatt auf ihr Bauchgefühl zu achten.

Dabei ist so ein Spruch einfach nur unsinnig. Man kann überhaupt nicht zu nett zu seinem Hund sein. Hunde sind großartig, aufrichtig und liebenswert. Jeder Hund – selbst ein Hund wie meine verrückte Luzi, die mir regelmäßig mit ihren lautstarken Gefühlsausbrüchen den letzten Nerv raubt – hat es verdient, immer und jederzeit von seinem Menschen nett behandelt zu werden.

Was vermutlich mit dem Satz gemeint ist, ist etwas ganz anderes, nämlich „du bist nicht konsequent“. Das ist aber überhaupt nicht miteinander vergleichbar.

Inkonsequentes Handeln verwirrt Hunde. Ist etwas heute erlaubt, morgen verboten und übermorgen wird der Hund sogar aktiv dazu aufgefordert, dann folgert der Hund daraus, dass sein Mensch offenbar selbst nicht weiß, was er will. Und dann macht der Hund eben das, was er selbst möchte. Das ist in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern im Übrigen nicht anders. Das weiß ich sehr genau, denn ich war auch so ein Kind.

Mangelnde Freundlichkeit hingegen zerstört einfach nur die Vertrauensbasis zwischen Mensch und Hund. Nichts weiter. Ruppige Behandlung schafft Unsicherheiten und ein emotionales Ungleichgewicht. Das Einzige, was man damit erreicht, ist ein unglücklicher Hund. Und auch das kann man auf das Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern problemlos übertragen.

Konsequent und gleichzeitig nett zu sein ist gar nicht schwer. Ich muss nur gewisse Regeln aufstellen und mich dann in erster Linie selbst daran halten. Nehmen wir mal ein Beispiel: Mein Hund soll nicht mit ins Bett. Nun bin ich aber krank oder mein Partner ist für ein paar Wochen nicht da, ich liege im Bett und fühle mich elend und einsam. Mein Hund sitzt vor mir und schaut mich an. Was mache ich? Na klar, ich hole meinen Hund zu mir ins Bett und wir kuscheln.

Das kann man machen, solange man sich der Tatsache bewusst ist, dass man in dem Moment seine eigene Regel gebrochen hat und von seinem Hund keinesfalls erwarten darf, dass er von nun an nie wieder ins Bett möchte. Dem Hund ist es natürlich völlig egal, dass in zwei Wochen sein Mensch wieder gesund ist und dessen Partner wieder seinen Platz im Bett beansprucht. Der Hund sieht nur, dass diese bisher immer aktive Regel nun aufgehoben wurde.

Konsequent zu sein bedeutet also in erster Linie, sich selbst im Blick zu haben und sich seiner eigenen Taten bewusst zu sein. Wenn ich dies jetzt tue, dann fasst mein Hund das soundso auf. Möchte ich das? Kann ich damit leben, dass sich unser Zusammenleben dadurch ändert und in Zukunft andere Regeln gelten? Oder möchte ich das nicht? Dann sollte ich mich nun tunlichst zusammenreißen und diese Regel nicht brechen.

Hunde sind sehr konsequent. Sie sind kooperativ und halten sich an einmal gelernte Regeln. Das ist eine wichtige Basis für ein stressfreies Zusammenleben im sozialen Verband. Aber im Gegenzug müssen wir fair sein und uns ebenso daran halten. Wenn wir die Regeln auflockern, dann dürfen wir von unseren Hunden nicht erwarten, dass sie sie weiterhin einhalten. Gleiches Recht für alle. So läuft das in einer Familie.

Und selbstverständlich funktioniert auch das Erlernen der Regeln ganz wunderbar mit viel Lob, Spiel und Spaß. Strafe ist gar nicht notwendig, denn jeder Hund, der neu in einen Haushalt kommt, versucht als Erstes herauszufinden, welche Regeln hier gelten. Er will und muss das wissen, damit er sich richtig verhalten und sich gut in die Familie einfügen kann. Wenn wir ihm auf liebevolle Weise beibringen, wie das Zusammenleben mit uns funktioniert, dann stärken wir gleichzeitig die wichtigste Basis für Alltag, Spiel und Training: Vertrauen.

Und jederzeit nett zu seinem Hund zu sein, das gehört selbstverständlich dazu.

(Inga Jung, Mai 2018)

 

 

 

 

Öfter mal loben

In der Hundeerziehung wird viel über Strafe diskutiert: Wie viel Strafe darf sein? Welche Strafe darf sein? Wann darf man strafen?

Kaum jemand fragt mich, wie oft er seinen Hund loben darf. Dabei sollte das doch eigentlich die Grundlage jeder Erziehung sein, egal ob Hund oder Mensch.

Ob Mensch oder Hund: Jemand, der immer nur hört, dass er dieses und jenes nicht darf und die dritte Variante bitteschön auch sein lassen soll, der entwickelt vor allem eines: Frust.

Dabei wäre es doch so einfach, die Dinge, die gut laufen, nicht für selbstverständlich zu nehmen, sondern zu sagen, dass sie einem gefallen.

In diesem Punkt kann man die Hundeerziehung durchaus mit einer Beziehung unter Menschen vergleichen. Ein Partner, der immer nur an dem anderen herumnörgelt und nie ein positives Wort für ihn übrig hat, der wird früher oder später merken, dass dieses Verhalten zu einer schlechten Stimmung führt.

Denkt man hingegen daran, sich für die vielen vermeintlichen Selbstverständlichkeiten auch hin und wieder mal zu bedanken, dann liegt gleich viel bessere Laune in der Luft.

Tun wir doch dasselbe mit unseren Hunden. Nehmen wir an, ihr hättet einen Hund, der ständig auf das Sofa springt, obwohl er das nicht soll. Statt nun immer nur zu schimpfen, wenn er das tut, solltet ihr darauf achten, ihn auch immer dann mit freundlichen Worten zu loben, wenn er auf erlaubten Plätzen (also auf dem Boden oder in seinem Körbchen) liegt. Vielleicht hat ihm bisher einfach nur die Erkenntnis gefehlt, dass ihr es gut findet, wenn er sich so verhält.

Die allermeisten Hunde sind sehr darauf bedacht, sich so harmonisch wie möglich in ihre Familie einzufügen. Sie wollen keinen Ärger. Hunde sind sehr soziale Tiere, die Streit in ihrem engen sozialen Umfeld nach Möglichkeit vermeiden. Also geben wir ihnen die Chance zu erkennen, welches Verhalten wir uns von ihnen wünschen.

Egal ob ihr an einem Problemverhalten arbeitet oder ob schon alles gut klappt: Denkt daran, gutes Verhalten nie als selbstverständlich zu betrachten, sondern euren Hund dafür zu loben. Ihr werdet sehen, dass er es in Zukunft öfter zeigen und eure gegenseitige Verbundenheit daran wachsen wird.

Und vergesst natürlich auch die zweibeinigen Familienmitglieder nicht: Auch die freuen sich immer über ein paar freundliche Worte.

🙂

(Inga Jung, erstmals veröffentlicht im Newsletter August 2012)