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Hundetraining im Fernsehen

Wer als Hundeverhaltensberater tätig ist, sollte sich eigentlich die gängigen „Hundeflüsterer/in“-Sendungen im Fernsehen regelmäßig anschauen. Nicht etwa weil die so toll wären, sondern allein um zu wissen, wovon die Kunden sprechen, wenn sie in der Beratungsstunde die letzte Sendung von Trainer/in Sowieso erwähnen. Ich weiß, ich sollte mir möglichst alle diese Fernsehformate häufig ansehen, um Antworten zu haben, wenn ich nach den angewandten Methoden gefragt werde.

Aber ich ertrage es einfach nicht, wie diese Serien – sender- und trainerübergreifend – aufgemacht sind.

Es geht immer gleich los: Zuerst wird der Trainer, natürlich mit der entsprechenden Musik und hübschen Bildern untermalt, als eine Art Wunderheiler vorgestellt.

Dann wird ein Hund gezeigt, der extra für die Sendung enorm gestresst und provoziert wurde, damit er auch die gesamte Palette des Aggressionsverhaltens der Kamera zeigt. Oftmals verhalten sich Menschen dem Hund gegenüber bedrohlich, und dieser flippt natürlich aus, weil er angesichts der aufregenden Situation mit den Nerven am Ende ist. Währenddessen erklingt eine düstere Musik, und ein Sprecher oder eine Sprecherin bezeichnen den Hund als Bestie und tickende Zeitbombe.

Spätestens jetzt muss ich oftmals schon wieder ausschalten, denn allein diese Art der Darstellung und die grundlose Provokation des Hundes machen mich so unglaublich wütend, dass ich gar nicht in der Lage bin, mich auf das Folgende zu konzentrieren.

Schaffe ich es wider Erwarten doch hin und wieder einmal, mir die Sendung weiter anzuschauen, dann ist es im weiteren Verlauf oft der Trainer oder die Trainerin, der/die den Hund erneut so stark provoziert, dass er aggressiv reagieren muss. Alles für die Kamera, damit der Trainer/die Trainerin auch noch einmal dem Publikum bestätigen kann, dass es sich bei dem Hund wirklich um eine reißende Bestie handelt. Aber Gott sei Dank ist jetzt der Wunderheiler-Trainer da. Der Hund ist inzwischen nervlich so am Ende, dass er mit Sicherheit glaubt, alle Menschen wollten ihn umbringen. –  Und wohlgemerkt, das wird natürlich grundsätzlich als gewaltfreies und effektives Training verkauft!

Jetzt spätestens ist es für mich wirklich so weit, dass ich umschalten muss, denn zu sehen, wie der Hund hier auch noch für das werte Publikum gequält und seine Ängste durch den Wunderheiler-Trainer verstärkt werden, macht mich einfach nur fertig. Gibt es nicht auch ohne Tierquälerei schon genug Action im Fernsehen? Ist es wirklich notwendig, hier einen Hund zum nervlichen Wrack zu machen, nur damit alle sehen, wie „bissig“ er ist? – Nach dieser Sendung wird er es vermutlich wirklich sein …

Manchmal, wenn ich einen wirklich guten, nervenfesten Tag habe, bin ich in der Lage, mir die Sendung bis zum Ende anzusehen. In der Regel gibt es nach zahllosen Provokationen, dem Spritzen mit Wasser, dem Werfen von Schepperdosen, dem Würgen des Hundes oder anderen Maßnahmen, von denen die meisten das Problem des Hundes verstärken, dann eine wundersame „Heilung“. Diese „Heilung“ stellt sich so dar, dass der Hund meist in Zeitlupe gefilmt wird, was seine Bewegungen viel ruhiger erscheinen lässt, das Ganze im Sonnenschein und mit wunderschöner, harmonischer Musik untermalt. Dem Zuschauer wird ein Happy End suggeriert, auch wenn sich bei genauem Hinsehen am Verhalten des Hundes überhaupt nichts geändert hat. Er hat immer noch dieselben Probleme wie zuvor, nur vermutlich noch eine Spur stärker, aber für die Schluss-Szenen wird er natürlich nicht extra provoziert, sondern da lässt man ihn nun endlich in Ruhe. So bekommt man dann auch ganz einfach einen Hund, der kein Aggressionsverhalten zeigt – denn endlich hat er mal keinen Grund mehr, sich zu verteidigen. Eine wirkliche Lösung ist nicht in Sicht, aber dem Zuschauer wird mit diversen filmischen Mitteln auf einfache Weise ein Heile-Welt-Gefühl suggeriert. Bei dieser Musik kann schließlich kein Hund mehr aggressiv sein …

Das Schlimmste an diesen Sendungen ist, dass so viele Leute den Unsinn, der da erzählt wird, tatsächlich glauben und das an ihrem eigenen Hund ausprobieren. Die Hunde entwickeln reihenweise Ängste und zum Teil sogar massive Verhaltensprobleme, nur weil ihre Besitzer vollkommen gedankenlos die „Methoden“ aus den Hundetrainer-Serien anwenden. Damit tragen die Fernsehsender eine riesige Verantwortung. Viele dieser Sendungen sind durchaus tierschutzrelevant, weil durch ein Nachmachen der gezeigten Methoden vor allem bei sensiblen Hunden erhebliches Leid verursacht werden kann.

Da ein wirklich gutes und effektives Hundetraining eben keine Aggressionen provoziert, sondern unterhalb der Reaktionsschwelle ansetzt und somit für Außenstehende sterbenslangweilig aussieht, wird es mit Sicherheit keine tollen Einschaltquoten erzeugen. Daher bin ich der Meinung, dass das Hundetraining im Fernsehen überhaupt nichts zu suchen hat. Warum konzentrieren wir uns nicht lieber auf belanglose Themen, die weder Mensch noch Tier wehtun? Es gibt doch genug, worüber man sonst noch berichten kann.

(Inga Jung, April 2014)

Hundeverstand in Buch und Fernsehen

Ich lese gerade (Juli 2013) das Buch „Hundeverstand“ von John Bradshaw, das so tolle Kritiken bekommen hat – mit durchaus gemischten Gefühlen.

Einerseits finde ich es toll, dass er sich deutlich von den alten Rangordnungstheorien distanziert und ausdrücklich schreibt, dass das Zusammenleben mit dem Hund ganz und gar kein Machtkampf ist, sondern dass Hunde auf Kooperation aus sind und Schwierigkeiten im Zusammenleben mit ihnen in der Regel auf Missverständnissen beruhen.
Ebenfalls macht er deutlich, dass eine gewalttätige Erziehung beim Hund Aggressionen und/oder Depressionen hervorrufen kann.
Schön, dass das endlich mal einer sagt.

Andererseits verliert er sich bedauerlicherweise in teilweise sehr wirren ausschweifenden Gedankengängen, die entweder irrelevant sind (wenn ich ein Hundebuch lese, interessiert es mich nicht, ob man einen Schakal oder Fuchs auch hätte domestizieren können) oder sogar falsch, weil er auf einmal Äpfel und Birnen verwechselt und von falschen Tatsachen ausgeht. (Zum Beispiel meint er, Hunde seien im Gegensatz zu Wölfen grundsätzlich freundlich zu anderen Hunden und weniger territorial – was ich ganz und gar nicht unterschreiben würde. Oder dass Wölfe nie eine Beziehung zu einem nicht verwandten Wolf aufbauen können – völlig unlogisch, denn das würde ja bedeuten, dass Wölfe nur Inzucht treiben, natürlich suchen sie sich wenn möglich einen nicht mit ihnen verwandten Partner. Und so weiter, es gibt immer wieder Sätze, die für einen Wissenschaftler erstaunlich unwissenschaftlich sind. Und er meint ständig, man dürfe Hunde und Wölfe nicht vergleichen, wobei er für diese These ausschließlich Argumente heranzieht, die auf dem – wie man ja weiß – unnatürlichen Verhalten von Gehegewölfen beruhen. Dass man das nicht als Ausgangsbasis nehmen sollte, ist klar. Erst auf S. 95 kommt er darauf zu sprechen, dass die Familienstruktur der freilebenden Wölfe unserem Zusammenleben mit Hunden doch gar nicht so unähnlich ist. Damit hätte er sich seine vorigen Argumente gegen den Wolf-Hund-Vergleich komplett sparen können.)
Wegen dieser verwirrenden Widersprüche, die mich beim Lesen wirklich gestört haben, empfehle daher, mit der Lektüre im letzten Absatz von S. 91 anzufangen. Vorher verpasst man nicht viel.

Richtig klasse finde ich, dass er sich – genau wie ich – die Frage stellt, warum wir in den Medien (Stichwort „Hundeflüsterer“) immer die brutalsten und brachialsten Methoden präsentiert bekommen. Warum verweigert das Fernsehen so vehement die Darstellung einer vernünftigen Erziehungsmethode? Seine Antwort ist so simpel, dass ich selbst gar nicht darauf gekommen bin:
Weil Gewalt dramatisch ist, und Menschen lieben Dramatik. Es ist einfach spannender zu sehen, wie ein Hund gekonnt niedergerungen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt wird (dann hat er sein Verhalten ja abgebrochen, eine Wirkung ist ersichtlich) als eine über Monate hinweg sorgfältig aufgebaute Gegenkonditionierung zu filmen. Da passiert ja nichts.
So einfach ist das.

Fernsehen lebt von dramatischen Augenblicken. Und eine dem Hund angepasste vernünftige Verhaltenstherapie zielt darauf ab, dem Tier Ruhe und Sicherheit zu vermitteln. Das will keiner sehen, das ist viel zu langweilig.

Ich kann es irgendwie verstehen, die Fernsehformate werden am Konsumverhalten der Leute ausgerichtet. Dennoch glauben viele Leute den Mist, den sie da sehen, und machen es ungefiltert nach. Ohne zu überlegen.
Ich bin der Ansicht, dass auch Fernsehsender eine Verantwortung tragen. Solange es niemandem schadet, können sie von mir aus senden was sie wollen.
Aber Sendungen, in denen das unnötige Quälen von Tieren und die Verbreitung völlig überholter „Dominanztheorien“, die wirklich nichts mehr in der Hundeerziehung zu suchen haben, von einem sogenannten Experten als richtig dargestellt werden, sind meiner Meinung nach höchst gefährlich, denn es gibt zu viele Leute, die wirklich glauben, was sie da sehen und hören.
Dann wäre es doch vielleicht besser, auf solche Sendungen komplett zu verzichten und sich mehr den Topmodel- und Shopping-Formaten zu widmen. Die bringen schließlich auch gute Quoten.

(Inga Jung, erstmals über Facebook veröffentlicht im Juli 2013)