„Das hat er ja noch nie gemacht.“

 

Ein Satz, der Emotionen hochkochen lässt. Aber schauen wir uns das mal objektiv an.

Ja, sicher, es gibt Hundehalter, die sich mit solchen Sätzen herausreden möchten, um nicht zugeben zu müssen, dass sie ihren Hund einfach nicht unter Kontrolle haben. Aber von diesen Leuten mal abgesehen, kann jeder Hundebesitzer in eine Situation kommen, in der ihm genau diese Worte herausrutschen.

Zum Beispiel darf man die Gruppendynamik, die entsteht, wenn mehrere Hunde zusammen unterwegs sind, nicht unterschätzen.

Stellen wir uns vor, es treffen sich vier Hundekumpels auf der Wiese und spielen. Einer von ihnen ist ein kleiner Draufgänger, der auch mal andere Hunde anpöbelt, die anderen drei sind zurückhaltend und immer freundlich.

Nun kommt ein einzelner Hund an dieser Gruppe vorbei. Der Draufgänger sieht ihn und läuft bellend auf ihn zu. Was werden wohl die anderen drei, die gerade noch durch das Spiel aufgeheizt und in Tobe-Laune sind, tun? – Keine Frage, die lassen sich mitreißen und rennen ebenfalls bellend auf den Einzelnen zu. Und weil man sich zu viert so unglaublich stark fühlt, zwickt man im Übermut vielleicht sogar den einzelnen Hund ein bisschen. Macht schließlich Spaß, so eine gemeinschaftliche Attacke.

Da steht man dann als Besitzer so eines immer freundlichen, zurückhaltenden Hundes, der in dieser Situation eine komplette Charakterwandlung durchlaufen zu haben scheint, erst einmal mit offenem Mund daneben und kann es gar nicht fassen. „Das hat er ja noch nie gemacht.“ Schon sind sie raus, die Worte, auf die man früher selbst immer nur ein verächtliches Lachen hat sehen lassen.

Unsere Hunde sind keine Maschinen, sondern sie sind Lebewesen, die sich von Emotionen mitreißen lassen. Die auch mal im Übermut über die Stränge schlagen und dann Dinge tun, die man ihnen normalerweise nie zugetraut hätte.

Wir Menschen unterschätzen das oft. Das ist auch der Grund, weshalb man ständig Hunde ohne Leine an der Straße laufen sieht, weil die Menschen einfach nicht genug Vorstellungskraft besitzen, um sich in die Welt ihres Hundes zu versetzen. Dabei ist es nun wirklich kein Geheimnis, dass Hunde sich mit Verkehrsregeln nicht auskennen und die Gefahr, die von einem fahrenden Auto ausgeht, meist nicht einschätzen können. Aber sie laufen normalerweise so brav auf dem Bürgersteig, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass sie sich auch mal erschrecken und plötzlich vor ein Auto laufen könnten. „Das hat er ja noch nie gemacht.“

Wichtig für uns Hundebesitzer ist es, aus der Erfahrung zu lernen, um Situationen besser einzuschätzen und vorherzusehen. Damit wir beim nächsten Mal schnell reagieren und unseren Hund zu uns rufen können, sobald wir sehen, dass sich ein einzelner Hund der Gruppe nähert. Oder damit wir kein Risiko eingehen und unseren Hund an der Straße immer an der Leine führen. Denn die Verantwortung, die wir übernommen haben, als wir unseren Hund zu uns nahmen, nimmt uns niemand ab, die tragen wir alleine, sein ganzes Leben lang.

(Inga Jung, Juni 2014)