Probleme im Zusammenleben von Kind und Hund entstehen häufig deshalb, weil Eltern die Sicht des Hundes nicht nachvollziehen können. Ihr Kind ist für sie niedlich, liebenswert und wehrlos. In den Augen des Hundes aber kann ein Krabbelkind, das sich unaufhaltsam immer wieder seinem Liegeplatz nähert, egal, wohin er sich auch zurückzieht, enorm bedrohlich und furchteinflößend sein.
Jeder Hund, der mit einem Kind zusammenlebt, sollte einen sicheren Platz haben, an den ihm das Kind nicht folgen kann, auch wenn er noch so lieb ist. Denn kein Hund hat Lust, ständig von einem Kind bedrängt und im Schlaf gestört zu werden.
Gerade kleine Kinder sind nicht in der Lage, die Warnungen eines Hundes zu verstehen. Bewegt das Kind sich auf den Hund zu und der Hund beginnt das Kind zu fixieren und anzuknurren, dann ist das aus Sicht des Hundes eine eindeutige Kommunikation: „Komm nicht näher“. Hält sich das Kind nicht daran, sieht der Hund sich oft gezwungen, zu deutlicheren Maßnahmen zu greifen.
Da das Kind in so einer Lage völlig überfordert ist, ist es Sache der Eltern, solche Situationen vorherzusehen, richtig einzuschätzen und dann entweder das Kind wegzunehmen oder den Hund auf seinen sicheren Platz zu schicken, an den ihm das Kind nicht folgen kann.
Es passieren im Verhältnis gesehen immer noch die meisten Beißunfälle, in denen Kinder betroffen sind, im eigenen Haushalt. Dessen sollte man sich als Elternteil bewusst sein und aufpassen, denn jeder Hundebiss hat eine Vorgeschichte.
Jedes Kind durchläuft das Tierquäl-Alter. Das ist eine Tatsache.
Kinder sind entdeckungsfreudig, sie wollen Dinge erforschen, sie wollen Ursache und Wirkung sehen, sie wollen den Dingen auf den Grund gehen. In einem gewissen Alter realisieren sie aber noch nicht, dass sie dem Hund damit wehtun. Hier sind die Eltern gefragt, aufzupassen und schnell einzugreifen.
Es gilt konsequent immer – wirklich immer – die Regel: Kind und Hund werden niemals miteinander alleine gelassen, auch nicht für fünf Minuten. Denn das können genau die fünf Minuten sein, in denen der Hund sich gegen das Kind wehren muss und es zu einem Unfall kommt.
Hunde sehen sich selbst als Familienmitglieder, wobei kleine Kinder aus der Sicht des Hundes die Position eines kleinen Geschwisterchens einnehmen. Viele Hunde übernehmen gerne die Rolle des Aufpassers und Helfers. Dennoch tut es ihnen weh, wenn ein Kind auf ihnen herumkrabbelt und sie dabei unabsichtlich tritt oder an ihrem Fell zieht. Einige Hunde ertragen dies gutmütig, andere werden ab einem gewissen Punkt unwirsch und weisen das Kind zurecht, so wie sie es mit einem Welpen tun würden, der im Spiel zu heftig wird.
Purzelt ein Welpe im Schreck nach hinten, dann passiert ihm dabei nichts. Fällt dagegen ein Kleinkind nach hinten, kann es sich dabei schnell den Kopf verletzen. Am besten beugt man vor und achtet darauf, dass der Hund nicht so sehr bedrängt wird, dass er das Gefühl hat, das Kind abwehren zu müssen
Vor dem Gesetz darf ein Kind nicht vor seinem 14. Lebensjahr alleine mit einem Hund spazieren gehen, auch wenn dieser noch so klein ist. Kinder können Gefahren oft nicht richtig einschätzen und handeln zu impulsiv. Wird ihr Hund beispielsweise von einem anderen angegriffen, versuchen Kinder oft, ihren Hund zu schützen, und begeben sich dadurch selbst in Gefahr.
Da Kinder bis zu einem gewissen Alter (meist vor Beginn der Pubertät) von Hunden nicht ernst genommen werden, wird ein Hund, der frei läuft, im Ernstfall vermutlich nicht auf die Kommandos eines Kindes hören, auch wenn er sehr gut erzogen ist.
Erstaunlich viele Hundetrainer hängen noch dem veralteten Rudelkonzept an. Sie meinen, ein Hund müsse sich jedem Familienmitglied „unterordnen“ – ein Begriff, der irreführend ist und heutzutage nicht mehr verwendet wird. Wenn solche Hundetrainer empfehlen, der Hund müsse sich von jedem Familienmitglied – auch von einem Kleinkind – immer alles wegnehmen lassen, da er sich unterzuordnen habe, ist dies ein absolut verantwortungsloser Vorschlag. Das kann fatale Folgen haben, denn ein Hund, der sein Futter oder sein Spielzeug ernsthaft verteidigt, kann unter Umständen ungehemmt zubeißen, da er sich in einem existenziellen Recht bedroht fühlt (mehr dazu im Artikel „Ressourcenverteidigung“).
Bekommen die eigenen Kinder Besuch und es wird wild gespielt und getobt, dann hat ein Hund dazwischen nichts zu suchen. Durch die starke Aufregung, die solche wilden Renn- und Tobespiele bei Hunden erzeugen, kann es im Affekt dazu kommen, dass der Hund zu wild wird und die Kinder zwickt. Viele Kinder können in solchen Momenten nicht stehen bleiben und sich ruhig verhalten, sondern sie fangen an zu schreien und noch schneller zu laufen, und der Hund steigert sich immer mehr in sein wildes Verhalten hinein und verliert mehr und mehr die Selbstbeherrschung. Auch hier ist Vorbeugung am besten: Der Hund bleibt einfach bei den Erwachsenen und hat so keine Gelegenheit, sich ins Spiel der Kinder einzumischen.
Kindern muss erklärt werden, dass fremde Hunde sich anders verhalten als der eigene. Es ist schön, wenn Kinder keine Angst vor Hunden haben – allerdings haben umgekehrt viele Hunde Angst vor Kindern, und sie würden sich wehren, wenn ein Kind sie einfach so anfasst. Daher ist es wichtig, dass Kinder sich an die Regel halten, einen fremden Hund nur dann zu streicheln, wenn der Besitzer dies ausdrücklich erlaubt hat.
Kinder ab dem Grundschulalter haben oft von sich aus schon ein feines Gefühl für die Kommunikation mit Hunden. Sie freuen sich, wenn man ihnen die Signale der Hunde erklärt und sie ihren Hund dadurch immer besser verstehen.
Viele Hunde finden Kinder toll, da diese viel mehr Lust und Zeit als die Erwachsenen haben, mit ihnen zu spielen und zu kuscheln.
Sind die Eltern verantwortungsbewusst und passen auf, dass der Hund nicht zu sehr bedrängt wird, dann kann sich im Laufe der Jahre zwischen Kind und Hund eine tiefe Freundschaft mit einer regelrechten Geheimsprache entwickeln.
(Inga Jung, in etwas veränderter Form erstmals veröffentlicht im Newsletter Juni/Juli 2013)