Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr

Der Hund ist „des Menschen bester Freund“, so sagt man. Und in vielen Fällen kann man dieser Aussage nur zustimmen. Doch sollte eine gute Freundschaft bekanntlich gegenseitigen Respekt beinhalten, ein ausgeglichenes Verhältnis von Geben und Nehmen und Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des anderen.

Wer sich aber so anschaut, wie viele Hunde hierzulande „erzogen“ werden, wobei immer noch Strafmaßnahmen aus vergangenen Jahrhunderten wie Nackenschütteln, in die Seite kneifen, an den Ohren ziehen, Würgehalsbänder sowie Schellen und Spritzflaschen zum Erschrecken ganz normaler Alltag sind – von Schlägen, Tritten und Stromschlägen reden wir mal gar nicht, obwohl auch das vorkommt und sogar immer noch von einigen Trainern empfohlen wird –, kommt nicht umhin zu denken, wer solche „Freunde“ hat, der braucht wahrlich keine Feinde mehr.

Ganz besonders verwerflich, da dieser Bereich von unserem Tierschutzgesetz kaum reglementiert ist und die Täter ohne Strafen zu erwarten quasi alles tun dürfen, wozu sie Lust haben, sind die Tierversuche. Natürlich alles im Namen der „Wissenschaft“. Jeder Tierversuch muss in Deutschland beantragt und genehmigt werden, aber es werden nur sehr wenige Vorhaben abgelehnt. Diese Grauzone der völlig legalen Tierquälerei betrifft alle Tiere, vom Wasserfloh über den Nacktmull bis zum Kamel. Die Menschen lassen keine Möglichkeit aus, für ihren makabren „Wissensdurst“ (oder ist es am Ende doch nur die Lust am Quälen?) Tiere leiden zu lassen. An Hunden werden insbesondere Toxizitäts-Tests (also Tests auf Giftigkeit von Substanzen) vorgenommen. Das ist auch ganz öffentlich. Man kann es z.B. in der Packungsbeilage des Mittels Simparica Sarolaner (ein Insektizid, das Hunde in Tablettenform bekommen) nachlesen. Ich zitiere:

„In einer Sicherheitsstudie wurde das Tierarzneimittel 8 Wochen alten Beagle-Welpen in Dosierungen entsprechend des 0-, 1-, 3- und 5-fachen der maximalen Behandlungsdosis von 4 mg/kg in Intervallen von 28 Tagen 10 mal oral verabreicht. Beim der maximalen Behandlungsdosis von 4 mg / kg wurden keine Nebenwirkungen beobachtet. In der Gruppe der Überdosierungen wurden bei einigen Tieren vorübergehende und selbstlimitierende neurologische Symptome beobachtet: leichter Tremor beim 3-fachen der maximalen Behandlungsdosis und Konvulsionen beim 5-fachen der maximalen Behandlungsdosis. Alle Hunde erholten sich ohne Behandlung wieder. Sarolaner wurde von Collies mit defektem ‚Multidrug-Resistance-Protein 1‘ (MDR1 -/-) nach einmaliger oraler Verabreichung des 5-fachen der empfohlenen Dosis gut vertragen. Behandlungsbedingte klinische Symptome wurden nicht beobachtet.“

Im Klartext: Hier wurden also 8 Wochen alten Welpen starke Überdosierungen dieses Mittels gegeben, von dem noch nicht bekannt war, wie es wirken würde. Die 5-fache Dosis wurde einem Hundebaby verabreicht und danach wurde beobachtet, ob der Kleine Zuckungen (bei der 3-fachen Dosis), Störungen des Nervensystems, Anfälle oder Krämpfe (das sind die besagten „Konvulsionen“ bei der 5-fachen Dosis) erleidet oder womöglich stirbt (was dann vermutlich bei der 6-fachen Dosis passiert ist).

Hätten die Collies mit MDR1-Defekt das Mittel nicht vertragen, wären sie übrigens ganz elendig krepiert. – Glück gehabt, kann man da nur sagen.

Und das tun wir Menschen unseren besten Freunden an. Nicht gerade vertrauenerweckend, oder?

Im Kieler Tierheim, wo ich als Gassigeherin regelmäßig mit den Hunden unterwegs bin, landen immer wieder ganze Gruppen von Hunden, die aus schlechter Haltung befreit und von der Polizei beschlagnahmt wurden. Viele dieser Hunde haben ihr gesamtes Leben in einem Schuppen oder einer Wohnung verbracht und niemals die Welt draußen kennenlernen dürfen. Sie erschrecken vor allem, haben Angst vor Gras und dem Himmel, vor Menschen, vor Autos, vor Bäumen, vor Mülleimern … Die Liste ist beliebig erweiterbar.

Wie kommen Menschen dazu, Hunden so etwas anzutun? Es gibt viele Ursachen, die Psychologen schon für Animal Hoarding herausgefunden haben, aber sie haben alle eines gemeinsam: Selbstbezogenheit und die Unfähigkeit, sich in andere Lebewesen hineinzuversetzen. – Das können die meisten Hunde tatsächlich besser als so manche Menschen. Und für alle Zweifler: Ja, das wurde schon wissenschaftlich nachgewiesen. Hunde können durchaus Empathie empfinden.

Was mich ebenfalls in letzter Zeit immer stärker beschäftigt, ist die zunehmende Bereitschaft der Menschen, schon bei Kleinigkeiten Anzeige zu erstatten. Ohne die Folgen zu bedenken. Oder es ist ihnen einfach egal, ich weiß es nicht.

Da bellt ein Hund einen Radfahrer an, der erschreckt sich und fällt hin. Okay, das kann passieren. Aber nein, es wird sofort Anzeige erstattet. Der Hund und der Halter werden vom Ordnungsamt überprüft, vielleicht kommt es sogar zu einem Gerichtsverfahren. Und wenn der Hund ganz viel Pech hat, wird er als „gefährlich“ eingestuft und landet im Tierheim, weil sein Halter die Auflagen nicht erfüllen kann oder will. Nur wegen so einer Lappalie.

Was hätte der Radfahrer denn gemacht, wenn er sich vor einem plötzlich mit Blaulicht an ihm vorbeifahrenden Rettungswagen erschreckt hätte? Hätte er den auch angezeigt?

Es ist so viel Hass in den Menschen. Hass auf andere Menschen, Hass auf Tiere, Hass auf die ganze Welt. Alle sind scheiße, nur ich selbst nicht. Ich verstehe es nicht. Ich kann so etwas nicht begreifen.

Leben und leben lassen. Einfach mal etwas Toleranz zeigen. Akzeptieren, dass andere genauso wenig perfekt sind wie man selbst. Und das beziehe ich jetzt nicht nur auf Menschen untereinander, sondern auch auf die Beziehung zu unseren Hunden. Auch von Hunden darf man keine Perfektion erwarten, sie sind schließlich „auch nur Menschen“.

Wann ist uns diese Fähigkeit zur Toleranz abhandengekommen? Manchmal habe ich fast den Eindruck, dass die Geburt von Internet-Plattformen wie Facebook sehr stark damit verbunden ist. Nirgendwo findet man so viel ungehemmten Hass wie dort. Und Hass hat leider die unangenehme Eigenschaft, sich zu vermehren. Je mehr Menschen hasserfüllte Kommentare lesen, desto heftiger wird die Wut.

Ich hoffe nur, dass nicht unsere Tiere letzten Endes – wie es leider meist so ist – diejenigen sind, die unseren Hass und unsere Wut abbekommen. Denn wir müssen uns immer wieder das Eine vor Augen führen: Unsere Hunde glauben wirklich, dass wir ihre besten Freunde sind. Auch wenn wir Menschen uns ihnen gegenüber mal wieder wie die letzten Arschlöcher verhalten. Die Liebe eines Hundes, einmal gefasst, ist unerschütterlich. Und was bleibt ihm auch übrig? Er hat ja nur uns. Lasst uns diese Macht über ihn bitte niemals missbrauchen.

(Inga Jung, November 2019)