Konsumverhalten

 

Wer sich viel mit Tier- und Umweltschutz beschäftigt, kommt früher oder später an den Punkt, an dem er verzweifelt. Denn wohin man auch blickt – in jedem Land der Erde werden Tiere von uns Menschen missbraucht, gequält und ausgenutzt und unsere Umwelt ausgebeutet, als hätten wir noch eine Zweite in Reserve.

Schnell erscheint einem der ganze Kampf sinnlos angesichts der wirtschaftlichen Macht, die hinter Massentierhaltung, Fleisch- und Pelzproduktion und Tierversuchsindustrie steckt. Man fragt sich, was man als Einzelner überhaupt bewirken kann.

Wir alle müssen uns daher bewusst werden, dass die Wirtschaft bei all dem der wichtigste Faktor ist, und dass wir Teil des Ganzen sind. Wir können allein durch unser Konsumverhalten und unsere täglichen Gewohnheiten vieles verändern. Auch wenn wir nicht viel Geld ausgeben, können wir doch entscheiden, wofür wir es ausgeben und was wir damit finanzieren. Dazu gehört allerdings ein bisschen Aufmerksamkeit, denn nicht immer sind Produkte eindeutig gekennzeichnet.

Echter Pelz ist zum Beispiel wieder im Trend – heutzutage nicht mehr als kompletter Mantel, sondern als Applikation an zahlreichen Kapuzen, Mützen und Handschuhen. Oft wird er nicht als Echtpelz ausgewiesen oder zum Teil sogar ausdrücklich als Kunstpelz bezeichnet, obwohl es sich um echten Pelz handelt. Hier muss man als Verbraucher Eigenverantwortung zeigen und genau hinsehen. Im Zweifel würde ich lieber eine andere Jacke nehmen, als Gefahr zu laufen, durch den Kauf einer Jacke mit Echtpelzbesatz den qualvollen Tod eines Tieres finanziell zu unterstützen. Denn darauf läuft es schließlich hinaus.

Ein ganz wichtiges Thema ist das Billigfleisch. Die Deutschen essen Unmengen an Fleisch, viel mehr als gut für sie ist. Dabei muss es dann auch noch möglichst billig sein, wer will schon mehr als einen Euro für einen Hamburger oder mehr als zwei Euro für ein halbes Hähnchen bezahlen? Geiz ist geil. Und die Wenigsten machen sich Gedanken darüber, unter welchen Umständen die Tiere, die für dieses Fleisch sterben mussten, wohl gelebt haben, damit sich die Billigvermarktung überhaupt lohnt. Dass sie auf engstem Raum zusammengedrängt waren, in ihrem eigenen Kot ausgerutscht sind, sich gegenseitig verletzt haben und über die Kadaver ihrer Mitbewohner laufen mussten. Dass sie das einzige Mal in ihrem Leben Sonnenlicht sahen, als sie aus ihrem Stall in den Transporter verladen wurden, der sie zum Schlachthaus brachte.

Niemand will darüber nachdenken, was diese Tiere in ihrem Leben gefühlt haben. Das will keiner wissen, das verdirbt einem schließlich den Appetit. Auch über die vielen Medikamente, mit denen diese Tiere gefüttert werden, damit sie sich in der Enge des Stalles keine Infektionen holen, will sich keiner der Billigfleisch-Fans Gedanken machen. Genausowenig über die Stresshormone, die während des Transportes zum Schlachthof und während des beängstigenden Tötungsvorgangs ausgeschüttet werden und den Körper des Tieres durchdringen. Ein Schwein, das ins Schlachthaus kommt, weiß, wo es sich befindet. Es riecht das Blut und den Tod, und es hat panische Angst. Das alles finden wir nachher im Fleisch wieder – einer der vielen Gründe, weshalb dieses Fleisch nicht so gesund ist wie viele Menschen immer noch glauben.

Wir können auch hier aktiv dazu beitragen, dass sich die Lebensbedingungen der Tiere verbessern, zum Beispiel indem wir seltener Fleisch essen und dafür dann qualitativ hochwertiges Bio-Fleisch kaufen. Wichtig ist hier nur, auf das Biosiegel zu achten, am sichersten ist man zum Beispiel bei Bioland- oder Demeter-Produkten. Wer ganz sichergehen will, fährt zu einem Biobauern, schaut sich dort die Haltung der Tiere an und kauft dann direkt im ansässigen Hofladen. Aber man findet heutzutage in jeder Stadt auch einen Bioladen, in dem man qualitätsgeprüftes Bio-Fleisch kaufen kann.

Das Gleiche gilt natürlich für alle tierischen Produkte: Milch, Käse, Sahne, Joghurt, Eier … Nicht alles, was als Bio ausgewiesen ist, erfüllt die gleichen Standards. Wer sich sicher sein möchte, dass die Tiere gut gelebt haben, geht für solche Produkte besser in den Bio- oder Hofladen. Vorsicht ist allerdings bei solchen Bauern geboten, die vielleicht 50 freilebende Hühner haben und dazu dann noch 50.000 Legehennen in Massentierhaltung. Kauft man hier die Bio-Eier, dann unterstützt man indirekt die Massentierhaltung.

Dasselbe Prinzip findet man auch bei den Stromanbietern. Die großen Konzerne haben alle Strom aus erneuerbaren Energien im Angebot, aber wer hier seinen Vertrag abschließt, unterstützt weiterhin den Bau von Kohlekraftwerken und den Weiterbetrieb der Atomkraftwerke. Wer etwas bewirken will, muss sich einen Anbieter suchen, der ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien im Angebot hat. Nur dann trägt das eigene Geld auch wirklich zu einer sauberen Zukunft bei.

Wer sich von Falten befreien und sein Gesicht mit Botox behandeln lassen möchte, dem sei gesagt, dass es Firmen gibt, die Botox ohne Tierversuche produzieren, während andere Firmen noch Unmengen an Mäusen qualvoll für die immer gleichen Testreihen sterben lassen. Es ist nicht notwendig, denn es gibt Alternativen. Aber solange diese Firmen ihre Produkte weiter vermarkten, wird sich nichts ändern. Die Verbraucher sind diejenigen, die hier die Entscheidungen treffen.

Mit der kritischen Wahl der Dinge, die wir für unseren Alltag benötigen – von Lebensmitteln über Kleidung, bis hin zu Brennstoffen und Strom – können wir viel bewirken, auch im Kleinen. Es geht nicht immer um die riesigen Summen. Wenn wir alle ein bisschen umdenken und beim Einkauf kritisch überlegen und jeder Einzelne etwas beiträgt, dann können auch Kleinigkeiten schon eine enorme Wirkung haben.

Die Fantastischen Vier haben es schon im Jahr 1995 auf den Punkt gebracht: „Wir retten die Welt, sag ich, und wird ausgelacht, doch wenn das alle sagen würden, hätten wir’s schon längst gemacht.“ Das ist jetzt neun Jahre her, und es ist noch nicht viel passiert. Ich würde sagen, es wird Zeit, dass wir uns endlich alle angesprochen fühlen. Wir alle tragen die Verantwortung, und wir alle können etwas bewirken.

(Inga Jung, April 2014)