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Von wahren Helden

 

Gerade jetzt zur Zeit der Fußball-EM wird mir mal wieder bewusst, wie unterschiedlich doch die Definition des Wortes „Held“ oder „Vorbild“ für uns Menschen ist. Mir würde es niemals in den Sinn kommen, einen Fußballer als Helden zu feiern, im Gegenteil. Ich finde es ziemlich affig, dass erwachsene Menschen schwitzend über eine Wiese rennen, alle Nase lang über ihre eigenen Füße stolpern und dann auch noch jammern und schreien wie Kleinkinder und dem Schiedsrichter das alte Lied des „er hat aber angefangen“ erzählen. Als ob sie nicht schon im Kindergarten die Erfahrung gemacht hätten, dass das nicht zieht. Aber gut. Wenn man so was mag, ist es bestimmt eine tolle Sache, auch wenn ich es wohl nie verstehen werde.

Für mich sind die wahren Helden nicht die Berühmtheiten aus Radio und Fernsehen, sondern die ganz normalen Menschen, die im Alltag Ungerechtigkeiten erkennen und zu beseitigen versuchen. Die Menschen, die mit offenen Augen durch die Welt laufen und nicht schweigend wegsehen, wenn sie wahrnehmen, dass etwas falsch läuft, sondern den Mund aufmachen. Die sich trauen unbequem zu sein und nicht immer den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Die aufklären und andere ermuntern, ebenfalls etwas zu tun, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

Zum Beispiel sah jemand, den ich gut kenne, im letzten Sommer vor einer Bäckerei einen stark hechelnden großen Hund in der Sonne sitzen, während dessen menschlicher Begleiter schön im Schatten saß und in aller Ruhe ein Stück Kuchen verdrückte. Statt einfach wegzusehen oder sich still zu ärgern ging mein ganz persönlicher Held schnurstracks in die Bäckerei und machte dort eine Riesenszene, wie es denn sein könne, dass der Hund dort in der Sonne sitzen muss und noch niemand wenigstens auf die Idee gekommen ist, ihm eine Schüssel mit Wasser hinzustellen. Man schaute ihn zwar an, als sei er verrückt geworden, aber der Hund bekam sein Wasser, das er auch gierig trank. Und seit diesem Tag stand immer eine Schüssel mit Wasser vor dem Eingang der Bäckerei. Neulich habe ich mit einem Lächeln wahrgenommen, dass jetzt sogar zwei richtige Hundenäpfe angeschafft wurden, die stets mit Wasser gefüllt sind. Die alte Plastikschüssel hat ausgedient. Das mag eine Kleinigkeit sein, aber für diesen Hund war es in dem Moment eine unheimliche Erleichterung. Und das Wichtigste ist, dass sich die Wahrnehmung der Menschen verändert hat und ihnen die Bedürfnisse eines zuvor unbeachteten Tieres bewusst wurden.

Es ist auch nicht immer einfach, in einer Gruppe von Menschen, die sich alle einig sind, einen gegensätzlichen Standpunkt offen zu äußern und zu vertreten. Wenn sich beispielsweise alle Arbeitskollegen darüber unterhalten, wie toll es ist, dass Wurst und Fleisch in einem bestimmten Discounter superbillig angeboten werden, dann gehört schon Mut dazu, in die begeisterte Diskussion die Frage einzuwerfen, ob sie sich denn auch im Klaren darüber seien, was sie da kaufen. Wie qualvoll das Leben der Tiere gewesen sein muss, wenn ihre Haltung so wenig Geld gekostet hat, dass ihre toten Überreste nun zu solchen Preisen verkauft werden können. Die Menschen, die billiges Fleisch wollen, mögen es in der Regel gar nicht, wenn man ihnen vor Augen hält, dass sie durch den Kauf dieser Produkte die Mitverantwortung für unfassbares Leid tragen. Sie wollen das nicht hören. Wer die Auseinandersetzung trotzdem nicht scheut und sich auf die Diskussion einlässt, der ist in meinen Augen ein echter Held.

Als Held ist man nicht immer beliebt. Man darf keine Angst davor haben, dass Menschen unfreundlich reagieren könnten. Werden sie aggressiv, muss man sich beherrschen und sachlich bleiben. Die Menschen hören auf nachzudenken, wenn ihre Emotionen hochkochen. Leute zu verärgern ist daher nicht zielführend. Man muss die nötige Ruhe haben, um eine Diskussion auf freundliche Weise führen zu können. Sogar wenn man jemanden davon abzubringen versucht, seinen Hund zu misshandeln und man das unbändige Bedürfnis hat, diesem Menschen das Gleiche anzutun, was er gerade mit seinem Hund gemacht hat, darf man sich nicht dazu hinreißen lassen. Aggression erzeugt nur Gegenaggression, und das führt niemals zu einer Besserung.

Tja, niemand hat je behauptet, es wäre einfach, ein Held zu sein.

Meine Helden sind Helden des Alltags. Menschen, die sich etwas trauen. Die nicht wegsehen, wenn Lebewesen, die nicht für sich selbst sprechen können, ein Leid geschieht. Die sich für Schwächere einsetzen. Meine Helden sind friedlich und genau deshalb sind sie besonders mutig. Sehr viel mutiger als jemand, der sich mit Gewalt durchzusetzen versucht. Draufhauen kann jeder, das erfordert weder Mut noch Hirn. Wer aber die Augen der Menschen öffnen und Mitgefühl mit anderen hervorrufen möchte, der braucht sowohl Mut als auch die richtigen Worte, oder, um es kurz zu sagen, den Stoff, aus dem Helden sind.

(Inga Jung, Juni 2016)

 

Die Sache mit der Freiheit

 

Freiheit – jeder wünscht sie sich und seinen Tieren. Freiheit ist etwas Wundervolles, sie ist unser höchstes Gut. Die Freiheit des Einen darf aber nicht die Freiheit des Anderen einschränken. Wir sind schließlich nicht allein auf der Welt, und Rücksichtnahme gehört einfach dazu. In Bezug auf uns Hundehalter bedeutet das in erster Linie, dass unser Hund keine anderen Lebewesen – seien es Menschen, andere Hunde oder auch Wild-, Haus- und Weidetiere – belästigen oder gar gefährden darf.

Das sagt sich so einfach, aber es beinhaltet doch eine Menge Voraussicht und Verantwortungsbewusstsein, unterwegs mit einem freiheitsliebenden Hund schnell genug reagieren zu können, um den Hund auch wirklich zu jeder Zeit unter Kontrolle zu haben, wenn das denn nötig ist. Denn wenn er den rennenden Hasen vor der Nase hat, ist es meist eh zu spät, um noch zu rufen. Man muss die Gegend schon so genau im Auge haben, dass man den Hasen vor dem Hund sieht, sonst hat man keine Chance.

Dennoch sind Freiheit und hier insbesondere die freie Bewegung innerhalb gewisser Grenzen und die Möglichkeit, auch mal „der Nase nach“ zu laufen enorm wichtig für das Wohlbefinden unserer Hunde. Dabei ist eine 20-Meter-Leine für einen Hund, der eine sehr starke Jagdleidenschaft hat, auch schon Freiheit. Denn diese Leine gibt ihm einerseits genug Freiraum, sich in einem bestimmten Radius um seinen Menschen herum auszuleben (weiter als 20 Meter sollte sich ohnehin kein Hund auf dem Spaziergang von seinem Menschen entfernen), aber andererseits gibt die Leine den Wildtieren der Gegend wieder Sicherheit, was ja mindestens ebenso wichtig ist wie das Wohlbefinden unseres Hundes.

Ganz und gar nicht lustig sind die Empfehlungen mancher Hundetrainer, der Hund solle grundsätzlich auf jedem Spaziergang neben oder hinter seinem Menschen laufen und sich diesem die ganze Zeit anpassen. Schnüffeln und Markieren sind natürlich nicht erlaubt, denn der Hund hat sich nach seinem Menschen zu richten, der das auch nicht tut.

Meine ehrliche Meinung dazu: Solche Spaziergänge kann man sich dann auch komplett sparen, denn der Hund hat davon gar nichts. Das ist, als ginge man mit einem Kind in einen reich gefüllten Spielzeugwarenladen, aber es darf nichts anfassen und bekommt auch kein Spielzeug geschenkt. Es darf nur von weitem all die schönen Dinge angucken, die es nicht haben darf. Was baut man durch so ein Verhalten auf? Doch nichts als Frustration und Enttäuschung.

Für einen Hund ist auf dem Spaziergang nicht die Bewegung das Wichtigste, sondern die Wahrnehmung der Gerüche und Geräusche. Derselbe Weg, den er morgens schon gelaufen ist, kann am Nachmittag ganz anders riechen. Er ist immer wieder aufs Neue interessant, denn in der Zwischenzeit sind vielleicht Katzen, Wildtiere oder der Rüde von gegenüber dort entlang gelaufen und haben ihre Spuren hinterlassen.

Ein gesunder, angstfreier, lebenslustiger Hund ist neugierig. Er will seine Umgebung erkunden und dafür läuft er kreuz und quer über den Weg, er läuft vorweg, bleibt stehen, fällt zurück, holt uns wieder ein usw. Er ist in Bewegung und das nicht linear, sondern oftmals eben schlicht „immer der Nase nach“. Das ist Normalverhalten. Kein Hund ist dominant, weil er vorweglaufen will, er ist einfach neugierig und will als Erster wissen, was dieser spannende Spaziergang zu bieten hat.

Diese Freiheit sollten wir ihm auch geben. Aber eben nur solange er die Freiheit Anderer nicht einengt. Das heißt: Kommt uns ein uns fremder angeleinter Hund entgegen, nehmen wir sofort unseren Hund an die Leine. Das gehört sich einfach so, und da gibt es auch nichts zu diskutieren. Wird diese einfache und klare Höflichkeitsregel endlich mal von allen berücksichtigt, dann würden sich zahlreiche angespannte Gespräche unter Hundehaltern nach dem Motto: „Meiner tut nichts!“ – „Schön für Sie, meiner aber schon …!“ erübrigen.

Ebenso nehmen wir unseren Hund – insofern das gut klappt, andernfalls hat man ja auch noch eine Leine – zumindest bei Fuß, wenn uns Jogger, Radfahrer oder andere Freizeitsportler entgegenkommen.

Wenn unser Hund jagt, müssen wir aufpassen, dass er keine anderen Tiere belästigt oder gar hetzt. Das gehört zu unserer Aufsichtspflicht, die wir übernommen haben. Und besonders schwer ist das auch nicht, denn dafür wurden schließlich Hundeleinen in allen möglichen Längen für sämtliche Gelegenheiten erfunden. Trägt der Hund ein gut sitzendes Geschirr, dann gewöhnt er sich sehr schnell an die lange Leine und nimmt diese überhaupt nicht mehr als störend wahr, und entspannte Spaziergänge mit vielen Schnüffeleinheiten sind wieder gesichert. Parallel dazu kann man ja trotzdem ein positiv aufgebautes Antijagdtraining beginnen, um den Hund vielleicht irgendwann einmal ganz frei laufen lassen zu können.

Freiheit ohne Rücksicht auf Verluste ist keine Freiheit, sondern Egoismus. Und oft schadet man dadurch sogar dem Hund, denn so mancher Hund, der von seinem Menschen zu viel Freiheit bekam, wurde am Ende durch Maulkorb- und Leinenzwang bestraft, weil er einen ängstlichen Menschen bedrängt und angesprungen hatte. Rücksichtnahme auf Andere ist wichtig, und man darf natürlich nicht vom Hund erwarten, dass er selbst auf die Idee kommt, sich vorbildlich zu verhalten. Die Verantwortung für das Verhalten unserer Hunde liegt einzig und allein bei uns.

(Inga Jung, September 2015)

Utopie

 

Was wäre, wenn es auf einmal auf der Erde eine Spezies gäbe, die genauso grausam und erfindungsreich wäre wie der Mensch? Sagen wir, diese Spezies nennt sich „Abc“.

Diese Abcs würden anfangen, Menschen zu züchten, sie gegen ihren Willen zu verpaaren und so viele Kinder wie möglich bekommen zu lassen. Die meisten Menschen, die so in Massen produziert werden, nennt die Spezies Nutz-Menschen.

Den Müttern wird ihr Baby kurz nach der Geburt weggenommen, damit ihre Milch abgezapft werden kann, bis sie erneut ein Kind erwarten und sich das Ganze wiederholt.

Wer keine Kinder mehr bekommen kann, wird auf einen Transporter geladen und in einem von vielen riesigen Todeshäusern qualvoll und unter großer Angst ermordet. Wer noch genießbar ist, wird zu Fleisch und Wurst verarbeitet. Ansonsten wird aus der Haut der Menschen Leder gemacht, mit dem Möbel und Autositze bezogen und Schuhe angefertigt werden.

Die Kinder der Nutz-Menschen werden einige Jahre lang auf engstem Raum zusammengedrängt in Hallen am Leben gehalten und gemästet, dann werden auch sie auf Transporter geladen und nach einer oft stundenlangen Fahrt in Hitze und Enge in einem der Todeshäuser ermordet.

Die Jungs werden nach einigen Monaten kastriert, damit ihr Fleisch zarter wird. Aus Kostengründen wird ohne Betäubung kastriert. Schmerzmittel gibt es auch keine, es sind ja nur Nutz-Menschen, für deren Wohlergehen sich kaum jemand interessiert, und die Schmerzmittel würden die Qualität des Fleisches beeinträchtigen.

Einige Millionen Menschen werden für Versuchslabore abgezweigt oder sogar speziell dafür gezüchtet. In den Laboren werden sie mit grausamen Experimenten gefoltert, die sie meist nicht überleben. Wenn gerade keine Experimente stattfinden, vegetieren sie in klinisch sauberen komplett gefliesten Gefängniszellen ohne Sonnenlicht vor sich hin.

Die meisten von uns werden niemals älter als 20 Jahre werden, viele sterben schon im Kleinkind-Alter, denn die Spezies hat einen enormen Hunger auf unser Fleisch, und das schmeckt nun einmal nicht mehr, wenn wir alt werden. Außerdem wäre es zu kostenintensiv, so viele Menschen zu lange durchzufüttern. Wir dürfen nur so lange leben, bis wir unser optimales Schlachtgewicht erreicht oder genügend Kinder geboren haben. Aber das Leben, das wir haben, ist ohnehin mehr ein Dahinvegetieren. Wir sehen niemals die Sonne und spüren niemals das Gras unter den Füßen. Wir leben auf Plastikboden und hocken in unseren eigenen Fäkalien.

Dann gibt es ein paar besondere Menschen, die von der uns beherrschenden Spezies im Haus gehalten werden. Diese nennt man Haus-Menschen. Meist werden sie im Kleinkindalter ins Haus gebracht, weil sie dann besonders anpassungsfähig sind. Manche werden gut behandelt, andere werden als Spielzeug für den Nachwuchs angeschafft, manche werden geschlagen und missbraucht. Wer Glück hat, kommt zu einigermaßen netten Vertretern der Abcs, aber wer Pech hat, kommt zu besonders grausamen, und denen ist er dann sein Leben lang komplett ausgeliefert. Oft werden die Haus-Menschen mit dem Fleisch von Nutz-Menschen gefüttert, unter anderem weil das durch die Massenmenschenhaltung sehr günstig zu bekommen ist. Diese privilegierten Haus-Menschen leben häufig in Käfigen und entwickeln dann Verhaltensstörungen, aber zumindest werden sie nicht ermordet. Wer in der Lage ist, sich an dieses unnatürliche Leben anzupassen, der kommt einigermaßen gut zurecht.

Eine relativ kleine Gruppe Menschen darf in den Feldern und Wäldern frei leben, man nennt sie Wild-Menschen. Aber sie müssen täglich um ihr Leben fürchten, denn die Abcs haben Spaß daran, sie zu jagen, und tun dies als Hobby in ihrer Freizeit. Einige der Jäger sind auf das Fleisch der frei lebenden Menschen aus, andere stopfen die Menschen aus und stellen sie sich als Trophäen in ihre Häuser oder hängen sich ihre präparierten Köpfe an die Wände. Vorzugsweise geschieht dies in den Restaurants, in denen es auch das Fleisch dieser Menschen zu essen gibt. Manchmal werden Treibjagden veranstaltet, auf denen dann bis zu 1000 Menschen auf einmal ermordet werden. Die Jäger legen sie dann in einer Reihe hin und machen stolz Fotos von den Leichen.

 

Diese Utopie, die sich anhört wie die Idee für ein Horrorfilm, ist gar nicht so weit hergeholt. Es ist tägliche Realität für Millionen von Tieren. Genau so und nicht anders gehen wir mit den Lebewesen, mit denen wir unseren Planeten teilen, um.

Und es ist keineswegs so, dass man Menschen und Tiere nicht in dieser Form vergleichen könnte. Es ist eine Tatsache, die nicht mehr angezweifelt wird, dass Schweine und Kühe ebenso ein Bewusstsein besitzen wie wir Menschen und durchaus in der Lage sind zu verstehen, was wir ihnen antun. Sie begreifen, dass wir sie quälen. Wenn sie ins Schlachthaus getrieben werden, wissen sie, was das bedeutet, und sie haben Angst. Todesangst.

Und warum diese ganze Quälerei? Damit wir Menschen billiges Fleisch essen und billige Lederschuhe kaufen können, damit wir billige Milch, billige Eier und billigen Käse bekommen. Wir unterscheiden uns in keinster Weise von den Abcs. Wir tun exakt dasselbe wie sie. Und das, was wir tun, wird von uns nur deshalb nicht als ein Verbrechen empfunden, weil wir selbst nicht die Opfer sind. Die Opfer sind die anderen. Wir selbst sind nicht betroffen, also ist es nicht so schlimm.

Es ist doch immer wieder erstaunlich, zu welch grausamen Taten Menschen in der Lage sind, wenn ihr Tun gesellschaftlich akzeptiert und durch irgendeine Ideologie begründet ist. Da metzeln Missionare tausende von Menschen nieder, weil diese nicht bereit sind, sich ihrem Glauben anzuschließen. Da infizieren Pioniere ganze Völker mit tödlichen Krankheiten, weil sie meinen, sie hätten Anspruch auf das Land, auf dem diese seit Urzeiten gelebt hatten. Da vergasen Menschen Millionen von Menschen in Konzentrationslagern, weil Propagandafilme und Hetzreden sie davon überzeugt haben, dass deren Leben nichts wert sei. Da schlachten Menschen Milliarden von Tieren auf grausame Weise ab, weil sie ihr Fleisch essen oder zu Hundefutter verarbeiten oder auch einfach vergammeln lassen und wegwerfen wollen.

Alle diese Taten wurden von ganz normalen Leuten begangen. Leuten wie du und ich. Leuten, die in dem Moment geglaubt haben, sie täten das Richtige.

Alle diese Taten sind grausam und falsch, und es gibt keine einzige Begründung, die sie auch nur ansatzweise rechtfertigen könnte.

Wir müssen endlich aufhören, grundlos zu töten.

(Inga Jung, August 2015)

Vermenschlichung versus Verständnis

 

Immer wieder heißt es, man darf einen Hund nicht vermenschlichen. Das ist auch absolut richtig. Ein Hund hat eine andere Art zu denken als wir Menschen, er nimmt die Welt anders wahr als wir und er setzt andere Prioritäten als wir. Mit ihm zu sprechen wie mit einem Menschen und von ihm menschliche Denkweisen und Entscheidungen zu verlangen, würde ihn überfordern. Ebenso wie es uns überfordern würde, wenn unser Hund von uns verlangen würde, eine Katze zu riechen, die 500 Meter von uns entfernt im Gebüsch sitzt. Wir haben im Gegensatz zu unserem Hund einfach nicht die physiologische Ausstattung, um so eine Leistung zu erbringen, und andersherum ist es ebenso.

Es gibt aber durchaus Bereiche, in denen ich Hunde gern mit Menschen vergleiche und das auch absolut legitim finde. Das sind die Bereiche, in denen wir uns stark ähneln. Zum Beispiel in Bezug auf Gefühle, die Hunde ebenso empfinden wie wir. Und auch in Bezug auf die Familienstruktur, in der sie leben. Wenn ich solche Vergleiche anstelle, gibt es immer irgendjemanden, der der Ansicht ist, das wäre Vermenschlichung, und vielleicht ist das zu einem gewissen Teil auch richtig. Allerdings stütze ich mich dabei einerseits auf eindeutige Ergebnisse neuerer Forschung, und andererseits bin ich der Ansicht, dass Menschen ihren Hund viel besser verstehen, wenn sie sich in ihn hineinversetzen und seine Gefühlswelt nachempfinden können. Immer nur zu behaupten, Hunde seien ganz anders als wir Menschen, ist dabei nicht wirklich hilfreich.

Mir ist es ein wichtiges Anliegen, den Hundebesitzern zu erklären, wie ihr Hund sich das Zusammenleben mit ihnen wünscht, denn ich sehe seit vielen Jahren eine erschreckende Tendenz vieler Hundetrainer, den Hund zu einem Untergebenen des Menschen zu degradieren, einem Soldaten ähnlich, der immer nur dann handeln darf, wenn der Mensch es ihm befiehlt. Dann aber hat er sofort zu gehorchen und den Befehl auszuführen. Kommt der Hund in dem Moment – völlig zu Recht – auf die Idee zu protestieren, wird er als „dominant“, „stur“ oder gar „gefährlich“ abgestempelt und mit Gewalt dazu gebracht zu tun, was der Mensch will. In meinen Augen ist diese Art, mit einem Hund umzugehen, in höchstem Maße tierschutzrelevant. Kein Hund wurde dazu geboren, uns Menschen zu gehorchen, wann immer wir das wollen. Jeder Hund hat das Recht, auch mal seine Ruhe einzufordern und seinen eigenen Interessen nachzugehen, ohne deswegen gleich Angst vor seinem Menschen haben zu müssen.

Um zu visualisieren, wie unglücklich sich so mancher Hund im Zusammenleben mit seinem Menschen fühlt, vergleiche ich die Beziehung zwischen Mensch und Hund gerne mit der zwischen einem Eltern und Kind.

Ja, ich weiß, ein Aufschrei geht durch die Reihen: Vermenschlichung! – Nein, ich glaube, dieser Vergleich kommt dem Blickwinkel, aus dem unsere Hunde das Leben mit uns betrachten, sogar sehr nahe. Denn nehmen wir mal ein paar Beispiele:

Stellt euch vor, ihr seid mit einem Kleinkind unterwegs und steht an einer vielbefahrenen Kreuzung. Was tut ihr? Richtig, ihr nehmt das Kind an die Hand. Genau wie ihr hier auch einen Hund an die Leine nehmen würdet. Nicht, um ihn seiner Freiheit zu berauben, sondern um ihn zu beschützen. Denn genau wie das Kleinkind ist der Hund nicht in der Lage, die Gefahren, die ihm an diesem Ort drohen könnten, richtig einzuschätzen. Es ist unsere Pflicht als Hundebesitzer, den Hund zu schützen, genau wie wir es als Eltern mit unserem Kind tun würden.

Wenn es aber gefahrlos möglich ist, dem Kind Freiheiten zu lassen, es Erfahrungen machen zu lassen, seine Neugier auszuleben und zu spielen, dann tun wir das und freuen uns darüber, dass es Spaß hat, neue Dinge erfährt und dabei lernt.

Genau das ist es, was sich auch unsere Hunde wünschen. Natürlich müssen wir immer aufpassen, dass sie nicht sich selbst oder andere in Gefahr bringen oder jemanden belästigen, wie bei unseren Kindern auch, aber innerhalb dieses Rahmens benötigen auch unsere Hunde individuelle Freiheiten, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln und sich wohlzufühlen. Neue Erfahrungen zu machen und Herausforderungen zu meistern stärkt das Selbstvertrauen und trägt dazu bei, dass der Hund ein ausgeglichenes, gelassenes Wesen entwickeln kann.

Und wenn wir dann wieder zu Hause sind, benötigt er viel Schlaf und lange Ruhephasen, um diese Erlebnisse zu verarbeiten, auch das ist ein enorm wichtiger Faktor, und auch darin sind sich Hunde und Kinder gar nicht mal so unähnlich.

Wenn ihr mit einem Kind unterwegs seid, dann seid ihr die Entscheidungsträger. Ihr seid aufmerksam und vorausschauend, um Gefahren wie z.B. ein sich annäherndes Auto rechtzeitig zu erkennen und das Kind in Sicherheit zu bringen. Ihr passt auf, dass das Kind sich nicht in Risiken stürzt, die es nicht einschätzen kann, und wenn es Streit mit anderen Kindern gibt, dann schlichtet ihr diesen. Seid ihr deshalb der Chef des Kindes? Der dominante Alphamensch? Der Rudelführer? Klingt absurd, oder? Aber genau das behaupten manche Hundetrainer, die diesen überholten Theorien anhängen, in Bezug auf exakt dieselben Situationen, nur weil wir das Wort „Kind“ durch „Hund“ ersetzen. Auf einmal sind wir keine besorgten Eltern mehr, sondern machthungrige Alphas. Und sofort wird aus einem liebevollen Blick ein hartes Starren. Worte können Gefühle manipulieren, daher sind Worte immens wichtig. Und daher rede ich lieber von einer Eltern-Kind-Beziehung, als von einem „Leithund“, auch wenn vielleicht ursprünglich mal von dem Verhaltensforscher, der dieses Wort in die Welt gesetzt hat, exakt dasselbe damit gemeint war.

Was Hunde überhaupt nicht verstehen, ist unsere menschliche Neigung zu Gewalt und Aggressionen im Zusammenleben mit Sozialpartnern. Hunde sind innerhalb der Familie unglaublich friedlich und aggressionslos. Sie ertragen oftmals ohne mit der Wimper zu zucken Behandlungen, die einen Menschen schon längst zu unkontrollierten Wutausbrüchen getrieben hätten. Das alleine ist der Grund dafür, weshalb es trotz der kursierenden Dominanztheorien, in denen Unterdrückung und offensive Gewalt gegenüber Hunden an der Tagesordnung sind, immer noch relativ wenige Beißvorfälle gibt. Hunde sind uns Menschen gegenüber viel zu tolerant. Das ist aber noch lange kein Grund, diese unendliche Geduld zu missbrauchen. Im Gegenteil, wir sollten uns ein Beispiel an unseren Hunden nehmen und sie ebenso freundlich und rücksichtsvoll behandeln wie sie uns. Das würde für zahlreiche Hunde das Leben sehr viel schöner machen.

(Inga Jung, Juni 2015)

Hundetraining als aktiver Tierschutz

 

Da ich nun die Arbeit an meinem dritten Buch beginne, habe ich mich entschlossen, bis voraussichtlich Mai 2016 eine Pause im Einzeltraining einzulegen. Neukunden nehme ich nur noch auf, wenn sie von meinen Tierärzten in Kiel an mich überwiesen wurden. Folgetermine für Kunden, bei denen ich bereits war, sind natürlich weiterhin möglich.

Die Pause ist letztendlich nicht nur nötig, damit ich Zeit zum Schreiben habe, sondern auch weil ich das Gefühl habe, dass meine inzwischen elfjährige Hündin nun im Alter die Anwesenheit ihrer Menschen mehr denn je braucht. Und natürlich möchte ich für sie da sein, so wie auch sie ihr ganzes Leben lang für mich da war.

Es fällt mir aber auch schwer, denn ich habe die Hundeverhaltensberatung immer auch als aktive Tierschutzarbeit erlebt. Unzählige Hundebesitzer kamen zu mir, nachdem sie an ihrem Hund zum Teil haarsträubende Dinge ausprobiert hatten, die sie zuvor im Fernsehen gesehen hatten. Sie suchten sich erst Rat, nachdem diese „Methoden“ das Problem oft noch verschlimmert hatten und ihr Hund das Vertrauen in seine Menschen fast komplett verloren hatte.

Ich möchte euch daher alle auch an dieser Stelle noch einmal dazu aufrufen, kritisch zu sein und auf euer Bauchgefühl zu hören. Nur weil jemand im Fernsehen auftritt, heißt das noch lange nicht, dass er weiß, was er tut. Das Fernsehen ist auf Einschaltquoten und auf den größtmöglichen Gewinn aus, wie alle wirtschaftlich denkenden Unternehmen. Und Action bringt einfach mehr Einschaltquoten als ein vernünftiges, langfristig angelegtes Training. Daher werden auch diese Hundeerziehungssendungen in erster Linie von Leuten gestaltet, die schnelle Bildwechsel, eine packende Story, emotionale Musik und eine deutlich erkennbare Veränderung wollen, welche in das Format von 30 Minuten passt. Sie stellen nicht das Leben dar, sie erzählen eine Geschichte, das ist Fiktion. Ein Hund, der leise grummelt, weil ihm etwas unangenehm ist, ist nicht spannend genug. Da wird er noch ein bisschen mehr bedrängt und provoziert, bis er endlich die Zähne fletscht. Das ist Action, das bringt Einschaltquoten. Mit Hundetraining hat das nichts zu tun. Bitte bedenkt das immer, wenn ihr solche Sendungen seht: Das ist nicht die Realität, das ist die Welt der Medien.

Eigentlich sollte jeder Mensch sich selbst denken können, dass viele der Dinge, die in diesen Sendungen gezeigt werden, schädlich und langfristig nicht wirksam sein können. Nehmen wir mal eine alltägliche Hundebegegnungssituation und übertragen sie in unsere menschliche Welt:

Stellt euch vor, ihr seid mit einem Kumpel zu zweit in einer euch unbekannten Gegend unterwegs und merkt auf einmal, dass euch vier zwielichtige Gestalten folgen. Ihr geht schneller und versucht ihnen auszuweichen, aber sie holen auf. Plötzlich verengt sich der Weg und ihr könnt nicht mehr weg, ihr seid in die Ecke gedrängt. Die vier Gestalten umkreisen euch bedrohlich. Die Situation fühlt sich gefährlich an, ihr wisst, dass ihr euch eventuell wehren müsst. Also macht ihr euch groß und versucht, die vier durch Stärke zu beeindrucken, damit sie euch in Ruhe lassen. Euer Kumpel, der mit euch unterwegs ist, hat bisher noch gar nichts gemacht. In dieser Situation, in der er euch beistehen sollte, greift er aber auf einmal zur Wasserflasche und spritzt euch einen ordentlichen Schwall Wasser ins Gesicht.

Was haltet ihr in diesem Moment wohl von diesem Menschen? Richtig, ihr denkt euch: Was für ein Arschloch. Nicht nur, dass er mir nicht hilft, sondern er fällt mir auch noch in den Rücken.

Exakt so empfindet euer Hund es, wenn er versucht, sich durch aggressives Verhalten andere Hunde vom Leib zu halten, und ihr ihn dafür auch noch mit der Wasserflasche anspritzt, weil Martin Rütter das im Fernsehen so gezeigt hat.

Sicher wird euer Hund sein Verhalten beenden, einerseits vor Schreck und andererseits weil er sich als völlig chancenlos sieht, wenn ihr ihm auch noch die Unterstützung entzieht. Wie soll er denn alleine gegen eine solche Übermacht ankommen?

Egal, ob der Hund nun in Zukunft das Pöbeln einstellt, weil er sich alleine einfach unterlegen fühlt, und sich in sein Schicksal fügt, oder ob er der Typ ist, der dann umso heftiger loslegt, weil er ohne Unterstützung durch seinen Menschen nur durch besonders starke Aggressionen seine Ruhe zu erlangen glaubt – eines erreicht ihr durch solche Maßnahmen auf jeden Fall: einen enormen Vertrauensverlust. Euer Hund weiß nun, dass er sich auf euch nicht verlassen kann. Ist es wirklich das, was ihr erreichen wolltet? Ist das euer Ziel?

Dabei ist die Wasserspritzerei noch einer der harmloseren Strafreize, die im Fernsehen vermittelt werden, auch wenn sie einen sensiblen Hund durchaus traumatisieren kann. Die körpersprachliche Einschüchterung des Hundes durch massives körperliches Bedrängen und Bedrohen, wie es der als „Hundeflüsterer“ bekannte Promi regelmäßig praktiziert, ebenso wie die von ihm empfohlene Strangulation des Hundes, die Tritte und Schläge, die er als Erziehungswundermittel verkauft, weil er das Leben mit einem Hund als Machtkampf missversteht, sind noch weitaus tierschutzwidriger. Und all das wird ohne nachzudenken auch hierzulande von zahlreichen Hundebesitzern nachgemacht.

Daher wiederhole ich meine Bitte: Seid kritisch und glaubt nicht alles, was euch irgendwelche Leute im Fernsehen oder im Internet weismachen wollen. Unsere Hunde sind Familienmitglieder, sie wollen keine Machtkämpfe mit uns austragen, sie wollen harmonisch mit uns zusammenleben. Sie sind sehr individuelle Persönlichkeiten und meist sensibler als man auf den ersten Blick glaubt, und sie möchten keinen Ärger mit uns. Geben wir ihnen die Chance, sich verstanden zu fühlen und sich so zu entfalten, dass sie sich uns anvertrauen können, damit Konflikte gar nicht erst notwendig werden.

(Inga Jung, Mai 2015)

Muss im Hundefutter wirklich so viel Fleisch sein? Ein Erfahrungsbericht

 

Das Thema „Ernährung des Hundes“ ist konfliktreich wie kaum ein anderes. Wenn man beispielsweise in ein Hundeforum im Internet geht oder gar auf Facebook eine Frage zu dem Thema zu stellen wagt, wird man von allen Seiten gnadenlos bombardiert. Die verschiedenen Meinungen werden so vehement vertreten und Gegenargumente sofort niedergeschmettert, dass man meint, man sei ins Kreuzfeuer religiöser Fanatiker geraten. Dabei wollte man doch nur ganz unschuldig eine kleine Frage stellen …

Ich sage es gleich offen: Ich bin keine Ernährungsexpertin – weder in Bezug auf den Menschen, noch in Bezug auf den Hund. Was ich weiß, habe ich mir in mühevoller Arbeit selbst angelesen und im Leben mit meinen eigenen Hunden gelernt. Das ist ganz sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Was ich aber überhaupt nicht mag, sind Menschen mit festgefahrenen Meinungen, die nicht willens sind, sich mal einen neuen Standpunkt anzuhören. Daher habe ich mich entschlossen, einfach mal von meinen persönlichen Erfahrungen zu erzählen, ohne Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

Früher habe ich den Leuten geglaubt, die erzählten, dass es für alle Hunde das Optimalste ist, wenn sie einen möglichst hohen Fleischanteil im Futter haben. Mindestens 70 Prozent. Alles andere wäre ungesund und unverantwortlich dem Fleischfresser Hund gegenüber. Ich als Vegetarierin habe es gehasst, meinen Hunden dieses Futter zu kaufen, zumal ich mir bei einem so hohen Fleischanteil natürlich kein Bio-Fleisch leisten konnte. Mir war klar, dass das viele Fleisch aus Massentierhaltung stammen musste, sonst wäre es nicht so günstig gewesen. Es drehte mir den Magen um, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen, ich wollte doch das Beste für meine Hunde.

Bis meine ältere Hündin an einer Bauchspeicheldrüsenentzündung erkrankte. Vermutliche Ursache: zu viel tierisches Fett im Futter. Wie bitte? Wie kann das sein? Ich dachte, Fleisch wäre so gesund für die Hunde. Mein Tierarzt riet mir dazu, den Fleischanteil im Futter drastisch zu reduzieren und allgemein auf einen niedrigen Fettgehalt zu achten, um die angeschlagene Bauchspeicheldrüse meines Hundes zu entlasten. Nun gut – da mein Tierarzt in seiner Praxis auch Hundefutter einer für schlechte Zusammensetzung und Tierversuche bekannten Marke verkauft und sich somit in meinen Augen nicht gerade als Experte in dem Bereich outet, war ich zunächst skeptisch, aber das mit dem niedrigen Fettgehalt war einleuchtend. Ich begab mich also im Internet auf die Suche nach passenden Futtersorten.

Wichtig war mir, dass das Futter nicht hauptsächlich aus Weizen, Gerste, Mais und Co. bestand, denn ein hoher Anteil davon ist bekanntlich nicht so gesund für Hunde. Reis und Kartoffeln mögen meine Hunde gerne, das fand ich okay als Bestandteil des Futters. Gemüse musste außerdem zwingend drin sein, und möglichst keine unnötigen Füllstoffe wie Maiskleber. Nachdem ich einiges ausprobiert hatte, wurde ich bei einem Bio-Futtermittelversand fündig: ein Seniorenfutter mit sehr niedrigem Fettgehalt, Bio-Zutaten in Lebensmittelqualität, mit Reis, Karotten und Huhn. Zusätzlich probierte ich auch einige vegetarische Hundefuttermittel aus. An der Verdauung meiner älteren Hündin konnte ich immer sofort ablesen, ob ihr das Futter bekam oder nicht, und oh Wunder: Sie verträgt ein vegetarisches Trockenfutter überaus gut, obwohl dieses einen höheren Fettgehalt hat als unser früheres Futter mit dem hohen Fleischgehalt. Offenbar ist pflanzliches Fett für sie besser verwertbar als tierisches. So ähnlich hatte mein Tierarzt es mir auch zuvor schon gesagt, aber ich in meiner Skepsis musste es erst selbst erleben, um es wirklich zu glauben. Unglaublich, alles was ich bisher für wahr gehalten hatte, stimmte gar nicht. Das viele Fleisch war nicht nur nicht besonders gut für meinen alten Hund, es hatte ihn sogar krank gemacht. Und Futter ohne Fleisch vertrug er viel besser.

Für mich war das eine unglaublich interessante Erkenntnis, und natürlich freute ich mich auch, denn endlich konnte ich mich von dem Fleisch aus der Massentierhaltung guten Gewissens abwenden. Ich suchte nun auch für meine jüngere Hündin nach einer passenden Alternative und fand ein vegetarisches Trockenfutter, das eine gute Zusammensetzung hatte. Zusätzlich bekommt sie zur Abwechslung alle paar Tage selbstgekochte Kartoffeln, Möhren und Bioland-Geflügelfleisch.

Nach einiger Zeit stellte ich fest, dass sich das Verhalten meiner jüngeren Hündin besserte. Ihre Anpassungsschwierigkeiten an Veränderungen hat sie natürlich nicht abgelegt, ein Deprivationsschaden kann nicht durch Futter verändert werden, aber sie ist im normalen Alltag sehr viel weniger explosiv und heftig als sonst. Möglich, dass das Zufall ist, aber es kann durchaus auch mit der Ernährungsumstellung zusammenhängen. Dass ein hoher Gehalt an tierischem Protein im Futter die Reizempfindlichkeit dafür anfälliger Hunde erhöht, ist schon lange bekannt, es wäre also nicht verwunderlich, wenn diese positiven Effekte sich durch die neue Fütterung ergeben hätten.

Dass Hunde mit vegetarischem Futter gut klarkommen, ist übrigens nicht verwunderlich, wenn man sich ihre Geschichte anschaut. Das Argument, der Hund stamme vom Wolf ab, zieht einfach nicht, denn Hunde haben sich in mehreren Zehntausenden von Jahren vom Wolf weg entwickelt und an das Leben mit dem Menschen angepasst. Hunde haben ein zusätzliches Enzym, mit dem sie Stärke aufspalten können, das dem Wolf fehlt. Und das nicht ohne Grund. Der heutige Zustand, dass wir billiges Fleisch im Überfluss haben, hat sich ja erst im Laufe der letzten hundert Jahre mit der Massentierhaltung eingestellt. Früher war Fleisch etwas Kostbares, das man nicht täglich zur Verfügung hatte. Kein Bauer hätte früher seinen Hund mit Fleisch gefüttert, im Gegenteil, der hat ein paar Küchenabfälle bekommen und vielleicht etwas Hafergrütze. Ich denke, die Hunde haben sich im Laufe der Jahrtausende sehr gut an eine weitgehend vegetarische Ernährung angepasst, und ihre Verdauung ist nun viel eher mit dem ganzen ungewohnten Fleisch überfordert.

Insgesamt muss ich sagen, ich bin mit dieser Lösung, die ich für meine Hunde gefunden habe, absolut zufrieden. Das Bio-Seniorenfutter ist zwar unglaublich teuer, aber die Fröhlichkeit und offensichtliche Beschwerdefreiheit meiner alten Hündin rechtfertigt diese Ausgabe allemal. Dadurch merkt man erst, wie schwer ihr das frühere Futter im Magen lag. Und die Lösung für meine jüngere Hündin ist nicht kostspieliger als unser früheres Futter.

Es werden keine Tiere in Massentierhaltung mehr gequält, damit meine Hunde sich von ihnen ernähren können, und das neue Futter bekommt meinen Hunden sogar noch besser als unsere früheren Futtermittel. Für mich ist es optimal so, und ich kann nur jedem ans Herz legen, sich zu überlegen, ob konventionelles Futter mit Fleisch aus Massentierhaltung wirklich notwendig ist. Ein, zwei vegetarische Tage in der Woche schaden keinem Hund, dafür kann man sich dann auch ab und zu mal Bio-Fleisch leisten. Man muss ja nicht gleich komplett auf vegetarisches Futter umstellen. Durch diese Kleinigkeiten kann auch jeder Hundehalter dazu beitragen, dass sich die Lebensumstände für viele Nutztiere verbessern.

(Inga Jung, Mai 2015)

 

 

 

Die Angst vor der Alleinherrschaft des Yorkshire Terriers

 

Wir leben in einer aufgeklärten Welt. In einer Welt, in der Informationen frei zugänglich sind und jeder Mensch, der den Willen dazu hat, sich zu allen Themen Wissen aneignen kann. Umso mehr frage ich mich, wie es möglich ist, dass sich längst überholte Theorien in Bezug auf das Verhalten von Hunden und den Umgang mit ihnen so nachhaltig in den Köpfen festsetzen und da einfach nicht herauszukriegen sind.

Insbesondere wenn es um Dominanz, Rangordnung und Hausregeln geht, gleicht es manchmal einem Kampf gegen Windmühlen, den Menschen bewusst zu machen, dass die früheren Vorstellungen von dem machthungrigen Hund, der nur danach trachtet, die Herrschaft über den Haushalt zu übernehmen, schlichtweg Unsinn sind. Sie sind veraltet, sie wurden inzwischen sogar eindeutig wissenschaftlich widerlegt. Es wurde nachgewiesen, dass sich zwischen Mensch und Hund überhaupt keine Rangordnung in diesem Sinne etabliert und dass Hunde das Zusammenleben mit uns Menschen viel eher aus der Rolle eines jugendlichen Familienmitgliedes heraus betrachten. Wie kommt es nun, dass die Überzeugung, sich gegen den Hund jeden Tag in einem Machtkampf behaupten zu müssen, in den Köpfen der Menschen so festsitzt?

Es gibt nach wie vor Hundetrainer, die diese veralteten Theorien verbreiten, und diese Hundetrainer sind erstaunlich populär. Oberflächlich betrachtet mag es völlig unverständlich sein, warum diese Hundetrainer, die zum Teil einen regelrechten „Guru“-Status innehaben, so erfolgreich sind und ihr gefährliches Halbwissen so ungeniert verbreiten können.

Ich glaube aber, letzten Endes ist die Antwort auf diese Frage recht einfach, denn sie liegt in der Psychologie des Menschen begründet.

Wie bekommt man Menschen dazu, einem zu folgen?

1) Man macht ihnen Angst: „Wenn du deinen Hund nicht so behandelst wie ich es dir sage, dann wird das Ganze in einer Katastrophe enden. Er wird die Herrschaft über dich und deine Familie übernehmen und euch die nächsten zehn Jahre terrorisieren.“

2) Man redet ihnen Schuldgefühle ein: „Du hast ein Problem mit deinem Hund? Selbst schuld. Das ist nur passiert, weil du dich nicht an meine Trainingsphilosophie gehalten hast.“

3) Man bietet ihnen einfache Lösungen: „Tue einfach dies, das und jenes, und alle deine Probleme sind gelöst.“

Das funktioniert, so ticken die Menschen, darauf springen sie an.

Wenn man ihnen hingegen sagt, dass ihr Hund ein hoch intelligentes und hoch soziales Lebewesen ist, das nicht nach einem einfachen Prinzip funktioniert wie eine Maschine, dann sind die Menschen damit überfordert. Denn das bedeutet ja, dass Methoden nach Schema F von vornherein zum Scheitern verurteilt sind. Das bedeutet, dass man lernen muss, mit seinem Hund zu kommunizieren, und dass man ihn mit Respekt behandeln muss. Das klingt alles nach verdammt viel Arbeit. Da lebe ich lieber in Angst und Schrecken vor der möglichen Alleinherrschaft des Yorkshire Terriers, denn dank meines Hundetrainers habe ich ja die richtigen Patentrezepte dagegen.

Dass Menschen so einfach gestrickt und so leicht zu manipulieren sind, wird in diesem Fall leider vielen Hunden zum Verhängnis. Denn auf der Basis dieser falschen Vorstellungen werden sie ihr Leben lang von ihren Menschen missverstanden und leider oft sogar – im Glauben, das einzig Richtige zu tun – misshandelt.

Ich kann nur jeden Hundebesitzer dazu ermahnen, kritisch zu sein und Empfehlungen, die er bekommt, von wem auch immer, zu hinterfragen. Vieles wird klar, wenn man sich seinen eigenen Hund und dessen Verhalten einfach mal unvoreingenommen anschaut und sich fragt:

„Gleicht das Verhalten dieses Hundes dem eines machthungrigen Diktators?“

„Oder vielleicht doch eher dem eines Jugendlichen, der vielleicht mal über die Stränge schlägt und sein eigenes Ding macht, sich aber in Notsituationen ganz schnell wieder zu seiner Mama rettet?“

Ich wette, dass mindestens 90 Prozent der Hundebesitzer nach der ehrlichen Beantwortung dieser Fragen doch eher Nummer zwei wählen werden.

Die restlichen zehn Prozent haben vermutlich sehr eigenständige und ernsthafte Hunde wie zum Beispiel Herdenschutzhunde, die in keine dieser beiden Kategorien so recht passen und für die man eine eigene Frage formulieren müsste, zum Beispiel frei nach dem Motto:

„Habe ich das Gefühl, dass mein Hund das Leben als eine einzige Arbeitsaufgabe wahrnimmt?“

Auch diese Hunde sind nicht darauf aus, die Macht über andere zu erlangen, sondern sie erledigen konzentriert ihren Job – oder das, was sie dafür halten – und nehmen diese Aufgabe sehr ernst.

Aber welchen Typ Hund auch immer man vor sich hat, man kommt an einer Tatsache schlicht und einfach nicht vorbei:

Es gibt keine Patentrezepte.

Verständnis des Hundes und seines jeweiligen Charakters, die Beobachtung seines Verhaltens, die Kommunikation mit ihm und der Respekt vor ihm als soziales, denkendes und fühlendes Lebewesen sind unerlässlich für eine vertrauensvolle Partnerschaft zwischen Mensch und Hund.

Wem das zu schwierig ist, der sollte sich überlegen, ob er sich als Hundehalter überhaupt eignet, oder ob er mit einem Stofftier nicht doch besser beraten wäre.

(Inga Jung, Januar 2015)

Gedanken über den Tierschutz

 

Tierschutz geht uns alle etwas an. Solange wir in einer Welt leben, in der Tiere direkt durch Misshandlung, Nutztierhaltung, Versuchstierhaltung etc. oder auch indirekt durch die Zerstörung ihrer Lebensräume ausgebeutet und bedroht werden, ist Tierschutz elementar. Wir brauchen mutige Menschen, die nicht wegsehen, sondern handeln. Die dort, wo sie können, zupacken und helfen.

Aber Tierschutz fängt auch im Kleinen an, im Alltag. Jeder, der ein Haustier hält, muss sich der Verantwortung bewusst sein, die er trägt. Er muss sich dessen bewusst sein, dass er dafür Sorge zu tragen hat, dass es diesem Tier gut geht und dass es nicht leiden muss. Und zwar ein Leben lang. Nicht nur solange es dem Menschen nützt, sondern auch dann, wenn es mal nicht so glatt läuft. Ein Haustier zu adoptieren bedeutet, eine Partnerschaft fürs Leben einzugehen. In guten wie in schlechten Zeiten.

Auch die Hundeverhaltensberatung ist oft aktiver Tierschutz. An das Verhalten von Hunden werden heutzutage enorme Anforderungen gestellt, denen kaum ein Hund entsprechen kann. Viele Menschen erwarten zu viel von ihrem Hund, sind frustriert, wenn es nicht klappt, und greifen dann zu drastischen Maßnahmen. Oft sehe ich, dass Hunde durch unangemessene Strafen enorm unter Druck gesetzt und völlig überfordert werden. Und dann wundern sich die Menschen, dass ihre Hunde das Vertrauen in sie verlieren.

Mein Job besteht oft darin, den Übersetzer zu spielen und den Menschen zu erklären, dass ihr Hund sie keinesfalls ärgern will, sondern dass sie ihm einfach mehr Zeit lassen und ihm eine Rückmeldung geben müssen, wenn er etwas gut macht. Das alleine genügt manchmal schon, um die Beziehung zwischen Hund und Mensch entspannter und liebevoller werden zu lassen. Empathie und Mitgefühl mit dem Hund ist keineswegs als Schwäche oder Vermenschlichung zu deuten, sondern für eine gute Beziehung zum Hund einfach unerlässlich.

Aber wir müssen an alle Tiere denken und nicht nur an unsere Haustiere. Auch die sogenannten Nutztiere haben Gefühle, auch sie empfinden Schmerz, Angst und Trauer, das leugnet heutzutage keiner mehr, auch wenn die meisten Menschen es nur allzu gern verdrängen möchten.

Dabei ist „keine Zeit“ oder „kein Geld“ nun wirklich kein Argument, mit dem man sich hier aus der Verantwortung stehlen könnte. Niemand muss gleich eine Stiftung gründen oder vor einem Schlachthof eine Demo veranstalten, um dazu beizutragen, dass das Leid der Tiere geringer wird.

Es würde schon ausreichen, wenn jeder Mensch sich Gedanken darüber machen würde, was er isst, was für Kleider und Schuhe er trägt und was er seinen Haustieren zu fressen gibt. Wir wissen heute, dass der übermäßige Verzehr von Fleisch alles andere als gesund für uns Menschen ist. Warum also nicht einfach mal seltener Fleisch kaufen und das Geld, das man dadurch gespart hat, in Bio-Fleisch investieren? Oder, noch besser und keinesfalls ungesund, einfach komplett auf Fleisch verzichten.

Auch die konventionelle Produktion von Milch und Eiern ist kein Vergnügen für die Tiere. Glücklicherweise gibt es inzwischen in jedem Supermarkt eine große Auswahl an Bio-Produkten. Der Käufer hat die Wahl, welche Art der Tierhaltung er mit seinem Geld unterstützen und finanzieren möchte, denn schließlich geht es hier um Lebewesen, das darf man nie vergessen.

Das Billigfleisch aus der Massentierhaltung findet sich natürlich auch im Hundefutter wieder. Und die Stresshormone und Medikamente, die im Fleisch dieser Tiere enthalten sind, greifen auch die Gesundheit unserer Hunde an. Bio-Hundefutter kann man sich vielleicht nicht jeden Tag leisten. Aber es ist schon ein Anfang, es hin und wieder mal zu kaufen. Und es hat noch keinem Hund geschadet, ein- bis zweimal in der Woche einen vegetarischen Tag einzulegen, im Gegenteil, viele Hunde sind richtig wild auf Gemüse und Kartoffeln.

Echtpelzbesatz an Jacken, Handschuhen und Mützen ist seit einigen Jahren wieder absolut im Trend, und viele Menschen kaufen diese Kleidung völlig gedankenlos. Dabei steckt dahinter eine grausame Industrie, die man mit dem Kauf solcher Ware weiter finanziert.

Und auch wer für die Forschung spendet oder Reinigungsmittel kauft, sollte immer genau nachfragen, ob er mit seinem Geld nicht unbewusst sinnlose und grausame Tierversuche finanziert.

So können wir alle aktive Tierschützer sein, allein dadurch, dass wir bewusst in den Supermarkt gehen und nicht immer nur das billigste Produkt kaufen, sondern darüber nachdenken, was wir da in unseren Einkaufswagen legen und welche Auswirkungen dies hat. Wir alle tragen vielleicht unbewusst dazu bei, dass weiterhin Tiere für den Menschen leiden und sterben, aber wir können das ändern, indem wir einfach etwas bewusster durchs Leben gehen.

Es wäre schön, wenn wir in einer Welt leben würden, in der Tierschutz gar nicht notwendig ist, weil kein Tier missbraucht und misshandelt würde. Aber solange dies nicht der Fall ist, müssen wir alle aufmerksam durchs Leben gehen und aktiv dazu beitragen, dass wir das Leid der Tiere nicht noch vergrößern.

(Inga Jung, Januar 2015)

Auseinandersetzung mit dem Altwerden

 

Lebt man mit einem Hund zusammen und verbringt tagein, tagaus seine Zeit mit ihm, dann merkt man manchmal gar nicht, wie die Jahre vergehen. Man selbst nimmt es kaum wahr, die Zeit verfliegt nur so, und für uns sind drei Jahre ja auch kein großer Unterschied. Für den Hund aber kann die Zeitspanne zwischen dem siebten und dem zehnten Lebensjahr eine Menge Veränderungen beinhalten.

Es ist wichtig, dass wir das nicht übersehen, dass wir schon erste Zeichen wahrnehmen und darauf reagieren, um einerseits einen zu schnellen körperlichen Abbau durch entsprechende Gegenmaßnahmen zu bremsen, andererseits aber auch den Hund nicht zu überfordern. Denn wenn ein Hund durch altersbedingte Veränderungen eingeschränkt ist, kann die früher so alltägliche Joggingrunde mit uns für ihn irgendwann zu viel sein. Da er es seinem Menschen aber immer recht machen will, wird er das vielleicht nicht so deutlich zeigen. Hier muss man genau hinschauen.

Veränderungen sind manchmal so schleichend, dass man sie kaum mitbekommt. Im Laufe der Zeit wird der Hund immer ruhiger, und man gewöhnt sich daran und nimmt es hin. Hinter einer so auffälligen Veränderung kann aber eine ernste Krankheit stecken. Nur wenn man offen damit umgeht und nicht alles nur auf das Älterwerden schiebt, hat man die Chance, Krankheiten rechtzeitig zu erkennen und beispielsweise zu sehen, dass das große Ruhebedürfnis des Hundes auf Schmerzen zurückzuführen ist und dass er nach der Behandlung der Ursachen auf einmal wieder spielt wie ein junger Hund. Das kommt öfter vor als man denkt, und solche Eventualitäten sollte man immer bedenken.

Wenn der eigene Hund langsam älter wird, betrachtet man ihn zunehmend mit anderen Augen. Er ist im Vergleich zu früher schwächer und anfälliger, hat schon einige Krankheiten hinter sich. Man ist jeden Tag besorgt, ob es ihm gut geht oder ob ihm vielleicht irgendetwas wehtut. Man schaut genauer hin und registriert jedes Schwanken, jedes Seufzen, jeden traurigen Blick, aber auch jedes Aufflackern von Freude und Begeisterung.

Früher, als er noch jung und fit war, war es ganz normal, dass er ab und zu „seine fünf Minuten“ bekam und wie verrückt herumrannte und tobte. Das kommt inzwischen selten vor. Aber wenn es mal wieder so ist und er auf einmal wie ein junger Hund zu toben beginnt, dann geht einem so richtig das Herz auf. Man wird von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl durchflutet. Den alten Kumpel, mit dem man schon so viel erlebt hat, so fröhlich und unbeschwert zu sehen, das ist die größte Belohnung für all die Sorgen, die Operationen, die Stunden beim Tierarzt, in denen es ihm nicht gut ging. Denn das zeigt doch, dass er immer noch genug Kraft und Freude am Leben hat und sich nicht unterkriegen lässt. Dass es ihm trotz des Alters gut geht und er weiterhin Spaß haben will.

Altwerden ist nicht schön, auch für einen Hund nicht. Er merkt, wie seine Kräfte schwinden und dass er sich gegen jüngere Hunde nicht mehr so wie früher behaupten kann. Er merkt, dass ihm schneller kalt wird und dass er vieles, was ihm früher leichtfiel, nicht mehr schafft. Er kann vielleicht schlechter sehen und hören als früher, und das verunsichert ihn. Mit Veränderungen kommt er schlechter klar, eine Urlaubsreise wird für ihn zur Qual, er braucht seine gewohnte Umgebung und seine Strukturen. Wenn unser Hund alt wird, müssen wir wieder mehr für ihn da sein, bei ihm sein. Es ist eigentlich wie mit einem Welpen, er braucht einfach seine Menschen, er kommt nicht mehr so gut alleine klar.

Man muss sich auch darauf einstellen, dass ein alter Hund teurer wird, denn er wird schneller krank. Er muss eventuell öfter zum Tierarzt, und wenn man Pech hat, sind die Behandlungen langwierig und teuer. Er braucht vielleicht auch ein Spezialfutter. Wer nicht viel Geld hat, sollte diese Zeit vorausplanen und bereits anfangen zu sparen, solange der Hund noch jung und fit ist. Denn Krankheiten kommen oft sehr plötzlich, und es kann gut sein, dass dann innerhalb weniger Monate über tausend Euro investiert werden müssen, damit der Hund eine gute Behandlung erhält.

Hat man viele Jahre mit seinem Hund in enger Gemeinschaft verbracht, dann ist man aber gern bereit, für ihn Opfer zu bringen. Er ist schließlich ein Familienmitglied und ein guter Freund. Und ich bin sicher, dass es keineswegs vermenschlichend ist zu behaupten: Wäre es andersherum und wäre ich diejenige, die alt und gebrechlich wird, dann würde er auch nicht von meiner Seite weichen und alles versuchen, um mir zu helfen. Denn wir gehören einfach zusammen.

(Inga Jung, Oktober 2014)

Mitgefühl mit Einschränkungen

 

Momentan ist sie in aller Munde – die Ice Bucket Challenge. Tausende Menschen der westlichen Welt (also der Länder, in denen Wasser im Überfluss vorhanden ist und niemand auf die Idee kommt, es könnte kostbar sein) kippen sich Eiswasser über den Kopf und spenden Millionen von Geldern an die ALS Association. Ohne sich Gedanken darüber zu machen, wofür ihr Geld eigentlich verwendet wird.

Die Krankheit ALS ist zweifelsohne schrecklich, und ich wünsche niemandem, daran zu leiden. Das Wörtchen „niemand“ schließt für mich aber nicht nur Freunde und Bekannte ein und ebenso nicht nur Menschen, sondern alle Lebewesen. Ich meine damit wirklich niemanden. Und hier scheiden sich die Geister.

Es ist bekannt, dass die ALS Association vorgibt, Tierversuche seien für die Erforschung dieser Krankheit notwendig. Es werden genmanipulierte Tiere gezüchtet, die bereits krank und leidend auf die Welt kommen und an denen dann bis zu ihrem grauenvollen Tod diverse „Therapiemethoden“ ausprobiert werden. Auch wenn die eine oder andere Methode bei Mäusen Erfolg hatte, erwiesen sich bisher alle bei der Erprobung am Menschen als Reinfall. Wie in vielen anderen Medikamentenstudien zeigt sich auch hier wieder einmal, dass Mensch und Maus eben doch nicht so hundertprozentig vergleichbar sind, und dass offenbar auch der künstlich hergestellte Gendefekt der Krankheit ALS nicht absolut gleicht.

Das führt nun aber nicht dazu, dass stattdessen neue, tierversuchsfreie Forschungsmethoden, die es durchaus bereits gibt, weiterentwickelt werden. Nein, ganz im Gegenteil, es hält die Wissenschaftler nicht davon ab, weiterhin Tausende von Tieren qualvoll zu Tode zu forschen, sondern es wird aktuell diskutiert, ob das Ganze nicht auch noch an anderen Tierarten wie z.B. Hunden ausprobiert werden kann. Hunde sind zwar teurer in der Haltung als Mäuse und Fische, aber dank der momentan massenweise reinkommenden Spendengelder kein Problem. Herzlichen Dank, liebe Spender!

Völlig perplex habe ich in den letzten Wochen auf Facebook Diskussionen verfolgen können, in denen Menschen, die ich bisher für durchaus nett und zurechnungsfähig gehalten hatte, äußerten, dass ihnen außerhalb ihrer eigenen Familie und ihrer eigenen Haustiere jegliches Leben egal sei. Allen Ernstes wurde hier postuliert, dass Tiere ruhig millionenfach leiden und sterben dürften, Hauptsache, es betrifft nicht die eigene Katze, die ja zur Familie gehört. Und wenn gar ein Verwandter erkranke, dürfe für seine Rettung die gesamte restliche Welt abkratzen.

Das ist eine Ansicht, die mich ehrlich gesagt komplett vor den Kopf schlägt, denn ich hätte nicht gedacht, dass sich jemand aus meinem Bekanntenkreis traut, so ein primitives und egozentrisches Weltbild öffentlich als Statement abzugeben. Es klammheimlich zu denken und sich anschließend dafür zu schämen, okay, aber diese überzeugte Kundgabe hat mich jetzt wirklich umgehauen.

Was dahintersteckt, ist klar und lange bekannt: Der Evolutionsbiologe Richard Dawkins nannte es „das egoistische Gen“. Es bedeutet, dass Lebewesen darauf bedacht sind, das Überleben ihrer eigenen Gene zu sichern, und dass sie dafür auch durchaus über Leichen gehen. Dabei werden auch die Nachkommen von beispielsweise Geschwistern mitversorgt, weil diese ebenfalls die eigenen Gene tragen, während nichtverwandte Artgenossen im Zweifel umgebracht werden, wenn die Nahrungsressourcen knapp werden und es ums Überleben geht.

Kurz gesagt: Was hier wirkt, ist einer unserer primitivsten Antriebe. Das steckt im Menschen drin, das lässt sich nicht leugnen. Allerdings haben wir dem etwas mindestens ebenso Starkes entgegenzusetzen: unseren klaren Menschenverstand und unsere Fähigkeit, Mitgefühl zu empfinden. Zumindest dachte ich das bis vor kurzem noch. Die aktuelle Debatte belehrt mich gerade eines Besseren – oder Schlechteren, eher gesagt.

In unserer westlichen Welt, in der es uns gut geht, erweitern viele von uns ihre Empathiefähigkeit auf Freunde und Bekannte, wohingegen weiterhin das Schicksal von Menschen oder Tieren, die nicht namentlich bekannt sind, den meisten Leuten herzlich egal ist.

Ist es nicht traurig, dass wir auch nach Jahrtausenden der Evolution und kulturellen Entwicklung immer noch in der Steinzeit stecken und nicht in der Lage sind, uns in Lebewesen, die wir nicht persönlich kennen, hineinzuversetzen und Mitgefühl mit ihnen zu empfinden?

Auch die Nachrichten im Radio, die ich neulich hörte, erstaunten mich gleichermaßen:

Erste Meldung: Schauspieler Robin Williams ist tot. Ein Aufschrei geht durch die Welt. Eine lange Story zu seinem Leben und seinem Ende folgte.

Danach ein kurzer Satz: Über tausend Menschen an Ebola gestorben. Mehr nicht. Interessiert ja keinen, denn die kannte schließlich niemand.

Ich weiß, dass viele Leute das normal finden, aber mich entsetzt es. Ich fürchte, dass es genau diese Einstellung ist, die unseren Planeten in kürzester Zeit an den Rand seiner Zerstörung gebracht hat. Diese egozentrische Denkweise wird uns noch in ganz arge Schwierigkeiten bringen. Es ist höchste Zeit, sich mal darüber Gedanken zu machen.

(Inga Jung, August 2014)